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Wer hat recht behalten? (MüerdeA
Wir sind oft unzufrieden und glauben, daß nichts weitergeht und daß
die gewerkschaftlichen Forderungen auf die lange Bank geschoben und nicht
erfüllt werden. „Die Gewerkschaften machen ohnehin nichts!", das kann man
immer wieder in den Betrieben hören.
Wie verhält es sich nun wirklich damit? Die letzten Wochen haben eine
Fülle von Erfolgen gebracht, die gar nicht richtig beachtet werden, weil die
Fleischpreise nicht genügend zurückgegangen sind, Krauland freigesprochen
wurde und Starhemberg Güter zurückerhält.
Mit den Preisen haben wir uns
schon in der letzten Nummer der
„Solidarität" beschäftigt. Zu den an¬
deren Fragen kann man stehen wie
immer: Österreich ist ein Rechtsstaat
und muß die Entscheidungen der Ge¬
richte achten. Wir erweisen uns selbst
einen schlechten Dienst, wenn wir
darob übersehen, was an Erfolgen für
uns, die Arbeiter und Angestellten,
eingebracht wurde.
Vor nunmehr zwei Jahren-sollte ein
neuer Wirtschaftskurs gesteuert wer¬
den, der Einsparungen bei den öffent¬
lichen Investitionen und auch bei den
Renten vorsah. Die Arbeitslosigkeit
stieg.
Der Gew'erkschaftsbund machte
auf die Folgen aufmerksam und for¬
derte die Bereitstellung von Mitteln
für öffentliche Investitionen sowie
die Senkung der Bankrate. Er for¬
derte in der Folge immer w'ieder
Maßnahmen zur Überwindung der
Arbeitslosigkeit, insbesondere der
Jugendarbeitslosigkeit, und des ra¬
piden Ansteigens der Arbeitslosen¬
zahlen im Winter.
Er forderte eine Senkung der Lohn¬
steuer und den Ausbau der Sozialge¬
setzgebung, allen voran die Reriten-
verbesserung.
Bereits im Vorjahr erkannte man
die Richtigkeit der Argumentation des
Gewerkschaftsbundes. Der Staat gab
Geld in beträchtlichem Ausmaß für
öffentliche Investitionen, das Parla¬
ment beschloß das Jugendeinstellungs¬
gesetz und schließlich Steuerermäßi¬
gungen, die auch den Arbeitern und
Angestellten zugute kamen.
Trotzdem erreichte im Winter heu¬
rigen Jahres die Arbeitslosigkeit ihren
Höchststand seit 1945, und die Wirt¬
schaftsaussichten für das heurige Jahr
schienen trübe. Im Februar beschloß
in Anbetracht der Wirtschaftslage der
Vorstand des Gewerkschaftsbundes
ein Zehnpunkteprogramm, das unter
anderem große öffentliche Investi¬
tionen, die Durchführung einer Ak¬
tion zur Bereitstellung billiger Elek¬
trogeräte, die Ausarbeitung eines
Programms zur Schaffung von
Dauerarbeitsplätzen, die Förderung
des Wohnhausbaues und schließlich
eine Politik des billigen Geldes vor¬
sah.
Es ist noch kein halbes Jahr seither
vergangen, und wie anders sieht die
wirtschaftliche Situation aus, Wir sind
nahe dem höchsten Beschäftigten-
stand, der jemals seit dem Bestehen
der Republik, im Oktober 1951, zu ver¬
zeichnen war. Ein 10-Milliarden-Inve-
stitionsprogramm sichert auf ein Jahr¬
zehnt öffentliche Aufträge, für den
Wohnungsbau w'erden große Mittel
bereitgestellt, der Zinsfuß für Kredite
wurde gesenkt, Abzahlungsaktionen
zur Anschaffung von Haushaltungs¬
geräten gestartet, und die Lage der
Rentner wird sich verbessern. Der Mie¬
terschutz wurde auf die Goldzinswoh¬
nungen, es sind dies rund 660.000,
ausgedehnt. Viele Gewerkschaften ha¬
ben Lohnregulierungen durchgesetzt,
ohne daß es — wie Unternehmer und
ein Teil der Presse es ankündigten —
zu einer Inflation kam. Die Gewerk¬
schaften der öffentlich Bediensteten
haben die Vorverlegung der zweiten
Etappe der Entnivellierung erreicht.
Die Preissteigerungen im heurigen
Frühjahr erhöhten allerdings die Le¬
benshaltungskosten gegenüber dem
Vorjahrsniveau. Es gelang aber auch
hier dem Gewerkschaftsbund, eine
rückläufige Preisentwicklung herbei¬
zuführen und die Gefährdung des Le¬
bensstandards der Arbeiter und Ange¬
stellten abzuwehren. Und schließlich
konnte mit der Novellierung des Anti¬
terrorgesetzes ein Schandfleck der
zweiten Republik halbwegs beseitigt
werden.
Wie ist dieser rasche Umschwung
und Aufschwung zu erklären? Nun,
endlich wurde das, was der Gewerk¬
schaftsbund vorschlug und gegen
das ursprünglich ein Teil der Wirt¬
schaft Stellung nahm, durchgeführt
— zum Nutzen und Frommen der
österreichischen Wirtschaft und der
Bevölkerung. Die wirtschaftliche
und soziale Entwicklung der letzten
Zeit ist ein Beweis für die Richtig¬
keit der gewerkschaftlichen Argu¬
mentation.
Daß bei allen Widerständen, die der
Gewerkschaftsbund bei seinen Vor¬
schlägen und Forderungen zu über¬
winden hatte, doch eine wenn auch
bescheidene Reallohnerhöhung er¬
reicht werden konnte, darf nicht über¬
sehen werden. Natürlich besteht keine
Ursache, die Hände in den Schoß zu
legen. Zur Abwehr der wieder drohen¬
den Saisonarbeitslosigkeit im Winter
wurde bisher zu wenig vorgekehrt, die
Unterbringung der großen Zahl der
Schulentlassenen wird viel Sorge? be¬
reiten, den Arbeitern und Angestell¬
ten muß ihr Anteil an der gestiegenen
Produktion und Produktivität ge¬
sichert und damit die Konsumkraft ge¬
hoben werden, die Preisentwicklung
erfordert sorgsamste Beobachtung,
ganz zu schweigen von vielen Sozial¬
gesetzen, die ihrer Beschlußfassung im
Nationalrat harren.
Aber trotzdem sollen wir unsere Er¬
folge nicht verkleinern oder gar über¬
sehen. Wir können stolz auf sie sein!
Wir sollen das Licht der gewerk¬
schaftlichen Verdienste nicht unter
den Scheffel stellen — unsere Gegner,
und leider auch vielfach unsere eige¬
nen Kollegen, bemühen sich ohnehin,
es zu trüben.
Die Eninivellienmg der
Wanderversicherungsrenten
Wie und wann werden jene Renten
aufgewertet, die sich aus mehreren
Teilleistungen aus verschiedenen Ver¬
sicherungen (Arbeiter-, Angestellten-
und Bergarbeiterzeiten) zusammen¬
setzen?
Hiezu ist grundsätzlich zu sagen:
Der Beginn der Entnivellierung richtet
sich danach, von welcher Anstalt die
Rente ausgezahlt wird. Diese Anstalt
nämlich zahlt die gesamte Rente auf¬
gewertet so aus, als ob der Rentner
immer nur bei ihr versichert gewesen
wäre. Das gilt also auch für den frem¬
den Leistungsteil. Die übergroße Mehr¬
zahl dieser Wanderversicherungsren¬
ten wird von der Angestellten- und
von der Bergarbeiterversicherungs¬
anstalt ausgezahlt.
Die von diesen beiden Anstalten
ausgezahlten Renten werden daher
einschließlich des Teiles aus der
Invalidenversicherung schon rück¬
wirkend ab 1. Jänner 1954 aufge¬
wertet. Nur jene Renten, die von
der Allgemeinen Invalidenversiche¬
rungsanstalt, der Land- und Forst¬
wirtschaftlichen Sozialversiche¬
rungsanstalt und der Versicherungs¬
anstalt der österreichischen Eisen¬
bahnen ausgezahlt werden, können
erst ab 1. Jänner 1955 erhöht wer¬
den.
Diese Renten werden als Gesamt¬
rente auch dann erst ab 1. Jänner 1955
aufgewertet, wenn in ihnen ein Lei¬
stungsteil aus der Angestelltenver¬
sicherung steckt.
Bezieht beispielsweise jemand eine
Rente von der Angestelltenversiche¬
rungsanstalt, in der auch ein Teil aus
der Invalidenversicherung steckt, in
der Höhe von S 793,70 im Monat,
so werden die Ernährungszulage
(S 239,—) und die Wohnungsbeihilfe
(S 30,--) abgezogen; der verbleibende
Rest von S 524,70 wird mit 1,89 multi¬
pliziert. Zu der neuen Rente von
S 991,60 kommt noch die Wohnungs¬
beihilfe dazu, so daß an den Renten¬
bezieher rückwirkend ab 1. Jänner
1954 monatlich S 1021,60 ausgezahlt
werden. Die Rente ist daher ab 1. Jän¬
ner 1954 schon um S 227,90 höher als
bisher. E. Sch.
Wir hoben nichts zu revidieren
Einige Tageszeitungen haben den in
der Folge 220 der „Solidarität" zur
Preisentwicklung Stellung nehmenden
Artikel „Einige Minuten Überlegung
erbeten!“ zum Anlaß genommen, die
Wirtschaftspolitik des österreichi¬
schen Gewerkschaftsbundes zu kriti-
Sie meinten, in der „Solidarität“
stünde schwarz auf weiß, was die
Volkspartei seit Jahr und Tag predige
— sollen wir das als Kompliment oder
als Angriff auffassen? — und vermerk¬
ten, daß „auch der Gewerkschaft«- _
blind, der an der Teuerungskampagne
eifrig mitgewirkt hat", seine Ansicht
offenbar revidiert habe.
Dazu können wir nur sagen, daß wir
nichts zu revidieren haben! Wir haben
von Anfang an in der Frage der Preis¬
steigerungen kompromißlos verlangt,
daß die Preise gebregist und zurück- ,
geführt werden, da die Arbeiterschaft
eine Erhöhung der Lebenshaltungs¬
kosten nicht ohne Gegenaktionen hin¬
zunehmen gewillt ist.
Diese feste Haltung des Gewerk¬
schaftsbundes hat nicht unwesentlich
zu dem Umschwung der Preisentwick¬
lung beigetragen. Wir stehen dntier
nicht an, unseren Mitgliedern neuer¬
lich zu sagen, daß eine allgemeine
Lohnbewegung als Ausgleich für
Preissteigerungen bei sinkender Preis¬
tendenz nicht ungefährlich ist, und
daß echte Lohnerhöhungen Produk¬
tivitätssteigerungen voraussetzen. In
dem zitierten Artikel steht ausdrück¬
lich, daß die Arbeiter und Angestell¬
ten ein Recht darauf haben, dort, wo
es möglich ist, sich einen Anteil auf
Grund'tfl?!M8ttl&en