Frauenarbeit-Frauaarec/it
IBFG: Frauen in Exportindu¬
strien werden ausgebeutet
Fast eine Million erwerbstätiger Frauen sind
in jenen Industrien beschäftigt, die sich in den
Entwicklungsländern in »Freien Exportzonen«
(FEZ) befinden. Dies geht aus einem Bericht
des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften
(IBFG) hervor, mit dem sich der IBFG-Frauenaus-
schuß beschäftigte.
Die Frauen in diesen Ex¬
portindustrien (zum Beispiel
Elektronik, Bekleidung,
Schuhe, Spielzeug) werden
ausgebeutet, haben
schlechte Arbeitsbedingun¬
gen, und es ist ihnen auch
verboten, sich gewerkschaft¬
lich zu organisieren.
»Freie Exportzonen« sind
Enklaven (das sind fremd¬
staatliche Gebiete in eigenen
Staatsgebieten), wo Waren
zollfrei ein- und ausgeführt
werden können. An den in
derartige Gebiete eingeführ¬
ten Gütern können verschie¬
dene Verarbeitungsprozesse
vorgenommen werden, wie
etwa Zuschneiden, Nähen,
Montage, Verpackung. Diese
Zonen sind normalerweise Teil
einer Strategie jener Regie¬
rungen, die Investitionen aus
dem Ausland ins eigene Land
hereinbringen wollen. Den In¬
vestoren werden daher noch
zusätzlich zur Zollfreiheit ver¬
schiedene Anreize geboten:
Ein Hauptanreiz ist, daß billige
und gewerkschaftlich nicht
organisierte Arbeitskräfte -
80 bis 90% davon sind Frauen
- vorhanden sind.
In den FEZ werden zumeist
Frauen zwischen 15 und 25
Jahren beschäftigt. Die Ar¬
beitgeber, so der IBFG-Be-
richt, bevorzugen unverheira¬
tete Frauen ohne Familien,
weil sie sich nicht freinehmen
und wegen der Geburt eines
Kindes keine »Freizeit« brau¬
chen.
Die jungen Frauen kommen
gewöhnlich aus ländlichen
Gebieten und haben keine
früheren Erfahrungen mit be¬
zahlter Arbeit. Sie haben ein
verhältnismäßig hohes Bil¬
dungsniveau, weil viele aus¬
ländische Arbeitgeber auf
einer mindestens siebenjähri¬
gen Schulbildung bestehen.
Die Familien ermuntern die
Mädchen, sich nach bezahlter
Arbeit umzusehen, was die
Mädchen auch tun, denn: sie
ziehen es vor, in der Industrie
Arbeit zu suchen, als unbe¬
zahlte Arbeit auf dem Feld zu
verrichten.
Sehr niedrige Löhne
Trotz ihrer verhältnismäßig
guten Schulbildung werden
diese Mädchen als angelernte
Arbeiterinnen beschäftigt,
geht weiter aus dem Bericht
hervor. Dies bedeutet mono¬
tone Routinearbeit in den Be¬
reichen Bekleidung, Schuhe,
Elektronik, Spielzeug, Sport¬
artikel usw. Üblicherweise
sind die wenigen Aufsichts¬
funktionen und Arbeitsplätze
für Facharbeiter den Män¬
nern vorbehalten.
Die Frauen werden sehr
schlecht bezahlt. So liegt in
der Greater Colombo Econo¬
mic Zone in Sri Lanka der Ta¬
geslohn unter einem US-Dol¬
lar. In den Zonen in Malaysia
beläuft sich der Tageslohn auf
zwei bis drei US-Dollar. Auf
den Philippinen beträgt der
Tageslohn etwa zwei US-Dol¬
lar.
In vielen Ländern verdie¬
nen die Frauen weniger als
die Männer für die gleiche Art
der Arbeit: In Korea bei¬
spielsweise verdienen die
Frauen weniger als 50% des
Lohns der Männer; in Ma¬
rokko erhalten sie etwa 70%
des Männerlohns.
Die Löhne werden von den
Arbeitgebern niedrig gehalten,
indem sehr viele »Anlernlin¬
ge« beschäftigt werden, und in
vielen Ländern verdienen »An¬
lernlinge« weniger als den
Mindestlohn. Die Frauen wer¬
den für zwei Jahre als »Anlern¬
linge« eingestellt und nachher
entlassen.
Wochenarbeitszeit
bis zu 60 Stunden
In den meisten Ländern der
FEZ beträgt die normale Wo¬
chenarbeitszeit offiziell 48
Stunden. In der Praxis jedoch
wenden die Gesellschaften
viele Tricks an, um den Ar¬
beitstag zu verlängern. Dazu
gehören erzwungene Über¬
stunden, Quotensysteme, bei
denen die Frauen erst dann
nach Hause gehen können,
wenn sie mit ihrer Quote fertig
sind, Verweigerung von Feier¬
tagen usw. Auf den Philippi¬
nen beispielsweise sind zwei
bis vier Überstunden (nach ei¬
ner Arbeitsschicht von acht
Stunden) keine Seltenheit.
Doppelte (16 Stunden) und
dreifache (24 Stunden) Ar¬
beitsschichten werden in Zei¬
ten eines Höchststands an
Produktionserfordernissen
eingeführt. In Wirklichkeit
kann die durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit bis
zu 60 Stunden betragen.
Die Produktivität in diesen
Gebieten ist in einigen Indu¬
striezweigen sogar höher als
in vergleichbaren Industrie¬
zweigen in den entwickelten
Ländern, was auf das gestei¬
gerte Arbeitstempo zurückzu¬
führen ist. Wenn man bedenkt,
daß viele Arbeitsprozesse ma¬
nuell und nicht mit Maschinen
durchgeführt werden, dann
kann man ermessen, wie un¬
menschlich das Arbeitstempo
sein muß.
Viele Gesellschaften greifen
auch zu autoritären Metho¬
den, um die Arbeitskräfte zu
kontrollieren. Bei der Arbeit
sind prinzipiell keine Gesprä¬
che erlaubt. Es ist auch nötig,
eine Erlaubnis einzuholen, um
auf die Toilette zu gehen, wo
die Frauen die dort verbrachte
Zeit schriftlich festhalten müs¬
sen ...
Schlechte Arbeits¬
und
Lebensbedingungen
Die Wohnheime in den
»Freien Exportzonen« reichen
für die Belegschaft nicht aus.
Die Frauen müssen sich daher
oft ein Bett teilen oder auf dem
Boden schlafen. Wohnhäuser
in der Nähe der Zonen gibt es
entweder nicht, oder sie sind
sehr kostspielig. Einige Ar¬
beitnehmer brauchen wegen
der schlechten Verkehrssy¬
steme mehrere Stunden für ih¬
ren Weg zur Arbeit.
Das Übereinkommen der in¬
ternationalen Arbeitsorgani¬
sation, das die Nachtarbeit für
Frauen verbietet, wird in eini¬
gen Ländern, darunter Sri
Lanka und Malaysia, auf Ersu¬
chen ausländischer Elektro¬
nikfirmen nicht angewendet,
damit eine durchgehende
Produktion erfolgen kann, wo
Frauen eingesetzt werden.
Diese Maßnahme ist von den
Gewerkschaften angepran¬
gert worden. Die Arbeit in die¬
sen Industrien ist mit hohem
gesundheitlichen Risiko ver¬
bunden, besonders die Mon¬
tage von elektronischen Be¬
standteilen, wo die Verwen¬
dung von gefährlichen Stoffen
für die weiblichen Arbeitneh¬
mer viele Gesundheitsrisiken
mit sich bringt.
Ein weiteres Problem, mit
dem die Frauen ständig zu tun
haben, ist die sexuelle Belä¬
stigung am Arbeitsplatz.
Werksleiter oder männliche
Mitglieder des Managements
verlangen sexuelle Gefällig¬
keiten als Gegenleistung für
eine Fortsetzung des Arbeits¬
verhältnisses oder für Beför¬
derungen.
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