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Konnten dadurch zumindest tendenziell Wettbewerbsverzerrungen sowohl im Hinblick auf
ausländische und inländische Dienstleistungserbringer in der österreichischen Wirtschaft
zurückgedrängt werden?
Vor Beantwortung der Fragen ist Folgendes anzumerken: Die Ausweitung der Lohnkontrolle
vom Grundlohn auf das gesamte Entgelt durch das ASRÄG bezog sich auf die behördliche
Lohnkontrolle, jedoch nicht auf den zivilrechtlichen Anspruch. Das heißt an der Geltendma-
chung der zivilrechtlichen Ansprüche hat sich nichts geändert, diese war vor Inkrafttreten des
ASRÄG nicht auf den Grundlohn beschränkt und auch danach nicht. Insofern hatte diese Än-
derung auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Geltendmachung der Ansprüche
durch die Arbeiterkammern. Aus der Praxis gibt es jedoch Wahrnehmungen dahingehend,
dass einzelne Arbeitgeber vor Inkrafttreten des ASRÄG davon ausgegangen sind, dass nur
der Grundlohn zu zahlen ist! Dieses grobe Missverständnis bzw vermeintliche Missverständnis
erklärt sich vor dem Hintergrund des enormen Lohngefälles zu den neuen Mitgliedstaaten.
Viele grenzüberschreitend entsendete oder überlassene Arbeitnehmer und Arbeitsnehmerin-
nen bekommen einen wesentlich höheren Lohn als in ihrem Herkunftsland, der noch immer
nur einem Bruchteil des österreichischen Mindestlohns entspricht. Die Differenz zum österrei-
chischen Lohn wird dann nur selten eingefordert. Die Möglichkeit die Entgeltdifferenz zivil-
rechtlich erfolgreich geltend zu machen, ist neben der Sprachbarriere außerdem mit viel Auf-
wand, vielen Hürden und großen Unsicherheiten verbunden. Gerichtsverfahren mit grenzü-
berschreitendem Bezug sind nämlich oft von Zustellproblemen, Problemen mit Beweisaufnah-
men und insbesondere Vollstreckungsproblemen gekennzeichnet.
Zusätzlich ergibt sich häufig das Problem der mangelnden Insolvenzdeckung. Die Insolvenz-
sicherung in den neuen Mitgliedstaaten ist der Höhe nach beschränkt und daher können bei
Insolvenz des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin die Differenzbeträge nicht erfolgreich geltend
gemacht werden. In diesen Fällen bleiben die ArbeitnehmerInnen selbst dann, wenn sie einen
Anspruch auf die Differenz zum österreichischen Lohn haben und diesen erfolgreich bei Ge-
richt geltend gemacht haben, im Endeffekt erfolglos und können unter Umständen nicht einmal
die Kosten für die Rechtsvertretung lukrieren. Da im Baubereich die Gefahr der Insolvenz des
Arbeitgebers/der Arbeitgeberin relativ groß ist, ist daher eine Geltendmachung der Ansprüche
selbst bei sehr guten Prozesschancen oft nicht ratsam!
Wie schwierig sich zivilrechtliche Durchsetzung von Ansprüchen bei grenzüberschreitendem
Bezug gestaltet, kann anhand des folgenden Beispiels aus dem Rechtschutz der Arbeiterkam-
mer Wien (AK Wien) aufgezeigt werden:
Im April 2011 wurde 14 Bauarbeitern außerordentlicher Rechtsschutz gegenüber einer in Ita-
lien domizilierten Arbeitgebergesellschaft gewährt. Die Arbeitnehmer waren von April 2010 bis
Februar 2011 als Bauarbeiter in Österreich (Wien) beschäftigt. Es war der Kollektivvertrag für
Bauindustrie und Baugewerbe anzuwenden. Sie wurden unterkollektivvertraglich entlohnt, wo-
bei es in den letzten Monaten vor dem berechtigten Austritt zu einer gänzlichen Entgeltvorent-
haltung gekommen ist.