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Es ist sicherzustellen, dass Plattformen den Schutzzweck dieser Normen – NutzerInnen
vor genereller Inhaltsüberwachung zu schützen – nicht durch vertraglich vereinbarte
Inhaltsregulierungs- und Filtermaßnahmen unterlaufen dürfen.
? „Must Carry“: Plattformen haben – auch unter dem Blickwinkel des Art 10 EMRK –- keine
Veröffentlichungspflichten. Die Verbreitung von Inhalten, die ihrer Ansicht nach den
Nutzungsbedingungen widersprechen, kann verweigert werden. Soweit sozialen Medien
eine immer größere Bedeutung bei der gesellschaftspolitischen Meinungsbildung
zukommt, stellt sich auch die Frage nach „Must Carry“ – Pflichten für Inhalte, die nicht
gegen nationale oder EU-Rechtsnormen verstoßen.
Zum Hintergrund
Zutreffender Befund:
Kommunikationsplattformen fördern die freie Meinungsäußerung und die Beteiligung an
öffentlichen Debatten. Neben sachlichen Wortmeldungen und respektvollem Austausch
verzeichnet aber allein der Verein ZARA im dritten Beratungsjahr bereits einen Anstieg von
„Hass im Netz“-Meldungen um fast ein Drittel. Rund 80 % der Fälle betrafen rassistische
Postings. Pro Quartal trifft allein Facebook 2 Milliarden inhaltsregulierende Maßnahmen, dabei
bis zu 3 Millionen den Bereich Hassrede betreffend (siehe den Forschungsbericht der ÖAW
und Universität Klagenfurt „Inhaltsregulierung auf Internetplattformen“). Bei marktdominanten
Plattformen mit ihrer immensen Reichweite ist die Wirkung rechtswidriger Äußerungen und
Darstellungen besonders fatal. Betroffene werden vor großem Publikum bloßgestellt.
Permanente Grenzüberschreitungen ermutigen Einzelne im Netz dazu, sich
rechtsverletzenden Postings anzuschließen, womit eine Dynamik zunehmender „Shitstorms“
in Gang gebracht wird, die rechtsstaatlich schwer unter Kontrolle zu bringen sind.
Der EU-seits geplante „Digital Service Act“ wird sich der Verantwortung von Plattformen
bei der Meldung rechtswidriger Inhalte auch annehmen. Wie sich das KoPlG in der Praxis
bewährt, lässt sich zu diesem Zeitpunkt abschätzen. Aus BAK-Sicht ist es ein Vorteil, wenn
national gesammelte Erfahrungen mit „Notice and Take down“-Bestimmungen in die EU-
Richtlinienarbeit einfließen.
Erleichterte Rechtsdurchsetzung ohne Gefährdung der Meinungsfreiheit:
Die Vorstellungen, wie ein respektvolles Miteinander im Internet durchgesetzt werden soll,
gehen zum Teil weit auseinander. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit kann aus BAK-Sicht
gar nicht hoch genug geschätzt werden. Dabei wird nicht verkannt, dass mit dem
Scheinargument der Meinungsfreiheit auch versucht wird, untragbare Kommentare zu
rechtfertigen. Persönlichkeitsrechte und Meinungsfreiheit stehen als gleichrangige
Grundrechte in einem Spannungsverhältnis zueinander. „Hass ist keine Meinung“ lautet
jedoch sehr treffend der Titel des Buches der deutschen Politikerin Renate Künast, die selbst
wiederholt Hasskommentaren ausgesetzt war. Dem können wir uns nur anschließen: verbale
Gewalt zielt oft auf Einschüchterung ab und ist damit eine Gefahr für den Rechtsstaat, der auf
Freiheitsrechten basiert.