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Gelingt dies nicht, muss den MS ein nationaler Gestaltungsspielraum zur Beibehaltung bzw
Einführung konkretisierender Vorschriften eingeräumt werden.
1.1. Zu den größten Verdiensten des Entwurfs zählt, dass…
…die Rückverfolgbarkeit von Händlern eingeführt wird. Der Nutzen dieser zur Eindämmung
von Internetkriminalität extrem wichtigen Bestimmung wird durch Einschränkungen in den
Erwägungsgründen gleich wieder geschmälert (KonsumentInnen dürfen nicht darauf
vertrauen, dass plattformseitig geprüfte Angaben über Drittanbieter auch tatsächlich stimmen.
Plattformen haften nicht dafür). Eine Haftung für ein falsches Unternehmensimpressum ist
Online-Plattformen zumutbar. Ihre Kontrollaufgabe sollte durch ein EU-weites, online
abrufbares Firmenbuch unterstützt werden. Mit Drittstaaten wie China und den USA müssen
diesbezüglich Verhandlungen aufgenommen werden.
…die enormen Vollzugsdefizite bezüglich rechtswidriger Online-Werbung durch
Transparenzpflichten für (sehr große) Online-Plattformen etwas verringert werden.
Plattformen müssen dafür sorgen, dass auf ihren Werbeplätzen die Werbekennzeichnung etc
eingehalten werden. Die Rückverfolgbarkeit von Werbung auf sehr großen Plattformen durch
den Zugang zu Werbe-Archiven ist besonders zu begrüßen. Bedauert wird, dass Letzteres
nur für sehr große Plattformen gilt, Werbung an den Schnittstellen zu den Drittanbietern nicht
erfasst ist, viele der systematisch verletzten Werbegrundsätze reiner
Branchenselbstregulierung überlassen werden und sehr große Plattformen – obwohl
zumutbar – offenkundige Cybercrime-Werbung nicht aktiv filtern müssen und folglich auch
nicht für Schäden haften, die KonsumentInnen durch betrügerische Werbung entstehen.
1.2 Zu den größten Versäumnissen zählt, dass…
…die 20 Jahre alten Haftungsbefreiungen der e-CommerceRl im Wesentlichen
übernommen statt zum Schutz der KonsumentInnen maßvoll adaptiert zu werden.
…zwar die verbraucherschutzrechtliche Haftung von Online-Plattformen von den
Haftungsbefreiungen erfreulicherweise ausgenommen ist, positive Haftungsgrundsätze für
sorgfaltswidrige Plattformen jedoch vollständig fehlen. Der bloße Verweis auf
Haftungsregeln im EU- und MS-Recht reicht nicht. Derzeit mangelt es nämlich ganz elementar
an Rechtssicherheit, wann Plattformen für eigene Fehler und mehr noch für jene von
Drittanbietern einstehen müssen.
…zwischen Online-Marktplätzen (für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen) und
anderen Plattformen (bspw für die Nutzerkommunikation) funktionell überhaupt nicht
unterschieden wird. Damit bleibt die Chance ungenützt, für grundrechtssensible Plattformen
andere maßgeschneiderte Vorschriften vorzusehen als für reine Online-Kaufhäuser. So hat
der Grundsatz, Vermittlungsdienste dürften keinen allgemeinen Überwachungspflichten
unterworfen werden, bei der ersten Kategorie absolut Berechtigung. Bei
Transaktionsplattformen, die dem Warenvertrieb dienen, gibt es hingegen kaum Anlass für
erhöhte Grundrechtsachtsamkeit. Online-Marktplätzen sollte (über Meldesysteme und
freiwillige Filterbemühungen hinaus) eine aktive Ermittlungspflicht auferlegt werden – vor
allem in Bezug auf offenkundig betrügerische Angebote (zB Vorauszahlungsbetrug durch
Fakeshops, finanzielle oder gesundheitliche Schäden durch Produktfälschungen). Kurz: