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rung abgemeldet haben (VwGH 20.12.2022, Ra 2021/08/0061 Rz 9). Dennoch kommt das
Pflegekarenzgeld der pflegebedürftigen Person zugute, da es eine adäquate Pflege durch
einen Familienangehörigen zumindest für kurze Zeit überhaupt erst ermöglicht. Es kann daher
auch hinsichtlich des Pflegekarenzgeldes gesagt werden, dass diese Leistung im Wesentli-
chen eine Ergänzung der Leistungen der Krankenversicherung bezweckt (EuGH 05.03.1998,
C-160/96, Molenaar, Rz 24). Ergänzend ist anzumerken, dass, durch die Einbeziehung von
Pflegekarenzgeldbezieher:innen in die Sozialversicherung, das Pflegekarenzgeld neben der
Entgeltersatzfunktion auch die Funktion der Absicherung des Risikos des Alters und der
Krankheit hat, wie es bei der der Rs Gaumain-Cerri und Barth zugrunde liegenden Leistung
der Fall war.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass es bezüglich Pflegeleistungen seit mehreren
Jahren Bestrebungen einer Novellierung der VO 883/2004 gibt und geplant ist, Leistungen bei
Langzeitpflege – ua Leistungen, die der pflegenden Person zukommen – unter Titel III Kapitel
I einzubeziehen. Dies stellt im Wesentlichen eine Kodifizierung der diesbezüglichen Rsp des
EuGH dar, welche Pflegeleistungen als Leistungen bei Krankheit eingestuft hat.
Zur Frage 2:
Wenn es sich um eine Leistung bei Krankheit handelt, handelt es sich bei Pfle-
gekarenzgeld um eine Geldleistung im Sinne des Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr
883/2004?
Die Frage 2 ist nach Ansicht der BAK wie folgt umzuformulieren: Ist Art 21 der VO 883/2004
dahingehend auszulegen, dass es sich beim österreichischen Pflegekarenzgeld um eine
Geldleistung handelt?
Aus Sicht der BAK ist Art 21 der VO 883/204 dahingehend auszulegen, dass es sich
beim österreichischen Pflegekarenzgeld um eine Geldleistung im Sinne dieses Artikels
handelt.
Die VO 883/2004 definiert die Begriffe Geld- und Sachleistung nicht. Der EuGH grenzt diese
nicht nach Form, sondern nach Inhalt und Funktion. Während Geldleistungen meist Lohner-
satzfunktion haben, beziehen sich Sachleistungen auf persönliche Dienstleistungen sowie
Heil- und Hilfsmittel, auch wenn die Krankenversicherung dafür Geld im Wege der Kostener-
stattung zahlt. In diesem Zusammenhang ist auch die Einordnung des Pflegegeldes als Geld-
leistung bei Krankheit zu sehen. Auch wenn das Pflegegeld bestimmte durch den Pflegefall
entstandene Kosten decken soll, überwiegt für den EuGH die Tatsache, dass die Zahlung der
Gelder periodisch erfolgt, unabhängig davon, ob Auslagen für Pflegeleistungen entstanden
sind oder nachgewiesen werden müssen (Windisch-Graetz in Jaeger/Stöger (Hrsg),
EUV/AEUV Art 48 AEUV Rz 55 (Stand 15.08.2019, rdb.at)).
Umso mehr ist mit Blick auf das Pflegekarenzgeld festzustellen, dass es sich hierbei um eine
Geldleistung handelt. Das Pflegekarenzgeld erfüllt primär den Zweck des Einkommensersat-
zes (ErlRV 2407 BlgNR XXIV GP, 1) und soll der pflegenden Person finanzielle Absicherung
für die Zeit der Pflegekarenz/Familienhospizkarenz bringen. Dass das Pflegekarenzgeld im
Weiteren der pflegenden Person ermöglicht, den Pflegebedarf der pflegebedürftigen Person