Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen
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3.1.3 Mögliche Folgen von GATS Liberalisierungen – vorläufige Erfahrungen und Einschätzungen
In der Uruguay-Runde des GATT hatte die Liberalisierung von Sektoren, die öffentliche
Dienstleistungen zum Inhalt haben, noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Es war zunächst um die
Öffnung kommerzieller Dienstleistungssektoren gegangen wie der unternehmensbezogenen
Dienstleistungen (Consulting, Buchhaltung, Marketing), und um die Finanzdienstleistungen.
Für den Großteil bisher durchgeführter Liberalisierungen bzw. Privatisierungen öffentlicher
Dienstleistungen können wir als typisch feststellen, dass sie:
• hinsichtlich der Dritten Welt auf den Druck der Weltbank und des Internationalen
Währungsfonds;
• auf die Europäische Union, insbesondere das Binnenmarktprojekt;
• und auf nationale Initiativen im Fall der Industrieländer zurückgehen.
Das hat sich mit den GATS 2000 Verhandlungen allerdings geändert. Es ist mittlerweile offensichtlich,
dass ein zentrales Thema der laufenden GATS-Verhandlungen die Liberalisierung öffentlicher
Dienstleistungen ist. Dies ist unter mehreren Gesichtspunkten problematisch:
a) GATS-Liberalisierungen sind nur unter hohen Kosten umkehrbar;
b) das Diskriminierungsverbot zwischen in- und ausländischen AnbieterInnen kann
problematische Konsequenzen für die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen haben;
c) die einzelstaatliche (nationale) Handlungsautonomie wird eingeschränkt.
Ad a): GATS-Liberalisierungen sind nur unter hohen Kosten umkehrbar
So lange ein Dienstleistungsbereich noch nicht vom GATS erfasst ist, kann ein einzelner Staat diesen
Bereich im Grunde souverän bzw. in nationaler Autonomie regeln.
Nimmt etwa die Republik Österreich derzeit die Liberalisierung einer öffentlichen Dienstleistung vor,
kann sie die Liberalisierung durch eine entsprechende Gesetzesänderung relativ unaufwändig
einschränken oder gänzlich zurücknehmen. Eine GATS-Bindung hingegen bedeutet eine
völkerrechtliche Verpflichtung, von der sich ein einzelner Staat nur befreien kann, wenn er
beträchtliche - in manchen Fällen wohl prohibitiv hohe - wirtschaftliche und politische Kosten in Kauf
nimmt. Rücknahmen oder Änderungen bereits eingegangener Liberalisierungsverpflichtungen können
nämlich frühestens drei Jahre nach deren Inkrafttreten, und zudem nur nach einer Kompensation –
durch neue Liberalisierungszugeständnisse in anderen Sektoren - davon nachteilig betroffener
Handelspartner vollzogen werden (Artikel XXI GATS).
Im Falle der Nichteinigung kann es zu einem Streitbeilegungsverfahren kommen. Streitfälle, die zu
Lasten eines Vertragspartners entschieden werden, ziehen die Verpflichtung nach sich,
abkommenswidrige nationale Bestimmungen zurückzunehmen oder zu ändern. Kommt der beklagte
Staat dem Ergebnis der Streitbeilegung nicht nach, können Strafzölle verhängt werden. Solche
Strafzölle sind nicht nur im Dienstleistungs-, sondern auch im Warenbereich möglich. Diese
Bestimmung kann in der Praxis zu empfindlichen Sanktionen führen, und wirft zudem für den
beklagten Staat innenpolitische Probleme auf, werden doch die Strafzölle auf Exportprodukte von
gänzlich anderen Branchen verhängt, welche nunmehr für die verfehlte Liberalisierungspolitik in einem
anderen Bereich wirtschaftlich gerade stehen müssen. Das wird zumindest zu politischen
Widerständen führen, Entschädigungsleistungen für diese Branchen nach sich ziehen, oder kann
aufgrund des sich abzeichnenden massiven Widerstands überhaupt einen Staat dazu veranlassen,