22 infobrief eu & international Ausgabe 2 | Mai 2015
wien.arbeiterkammer.at
Der Sammelband umfasst einen ein-
leitenden und resümierenden Über-
blicksartikel des Herausgebers, zehn
Länderstudien (D, A, H, GR, I, E, F,
GB, IRL, S), zwei Beiträge über die
Wirtschafts- bzw. die Lohnpolitik in
der EU während der Krise sowie zwei
Artikel zu den strategischen Optio-
nen gewerkschaftlicher Politik im fi-
nanzdominierten Kapitalismus. Hier
werden zwei sehr interessante Bei-
trage näher besprochen.
Die neue EU-Wirtschaftssteue-
rung n Andrew Watt, Janine Leschke
und Sotiria Theodoropoulou analy-
sieren in ihrem Beitrag den Austeri-
tätskurs, den die EU-Wirtschaftspo-
litik in der Krise eingeschlagen hat,
und die neue Wirtschaftssteuerung
auf EU-Ebene.
Ausgangspunkt der Entstehung des
neuen Systems der wirtschaftspo-
litischen Steuerung war im Jahre
2010 die Verabschiedung der „Eu-
ropa 2020“-Strategie. Sie beinhal-
tete die Einführung eines jährlichen
Zyklus der EU-weiten Abstimmung
der Wirtschaftspolitik: Nationale Po-
litiken und Strukturreformen werden
im Rahmen des sog. „Europäischen
Semesters“ koordiniert.
1. Dem 2011 verabschiedeten Euro-
Plus-Pakt kam die zentrale Rolle
der Lohnpolitik als Anpassungs-
instrument zur Überwindung
makroökonomischer Ungleich-
gewichte und zur Stärkung der
preislichen Wettbewerbsfähigkeit
explizit zum Ausdruck. Der Pakt
sieht die Überwachung der nati-
onalen Lohnentwicklungen und
der nationalen Kollektivverhand-
lungsinstitutionen vor.
2. Insgesamt verschärften die
neuen Instrumente die Über-
wachung der restriktiven Fis-
kalpolitik im Rahmen des Sta-
bilitäts- und Wachstumspakts:
Der Fiskalpakt verpflichtet die
unterzeichnenden Länder, einen
ausgeglichenen Staatshaushalt
vorzulegen. Das jährliche struk-
turelle Defizit darf in der Regel
0,5 % des BIP nicht überschrei-
ten. Wesentlich ist ferner die viel
stärkere Betonung der Einhaltung
des Schuldenkriteriums von 60 %
des BIP und die Einführung von
Korrektur- und Sanktionsrege-
lungen. Die betroffenen Länder
haben den Schuldenstand rasch
abzubauen.
3. Im „Sixpack“ enthalten ist ein
„Verfahren zur Vermeidung und
Korrektur übermäßiger Un-
gleichgewichte“ (EIP). Preisliche
Wettbewerbsfähigkeit und Leis-
tungsbilanz werden bewertet,
Kommission und Rat können im
Falle übermäßiger Ungleichge-
wichte Empfehlungen zur Kor-
rektur geben. Auch hier sind Kor-
rektur- und Sanktionsregelungen
festgelegt. Allerdings werden le-
diglich Defizitländer zur Anpas-
sung gezwungen, während die
„beggar thy neighbour“-Politik
der Überschussländer keinerlei
Sanktionen unterliegt.
4. Die im „Europäischen Semes-
ter“ enthaltenen Verfahren zur
stärkeren Koordination stellen
Schritte in Richtung ver-
Vieles spricht dafür,
dass das neoliberale
Reformbündnis und
der EZB kaum noch
sachliche Argumente
zur Verteidigung ihrer
bisherigen Krisenpolitik
haben.
Buchbesprechung
Der Triumph gescheiterter Ideen – revisited
Die EU und ihre
nationalen Arbeitsbeziehungen
in der Krise
Der von Steffen Lehndorff, Politikwissenschaftler am „Institut Arbeit und Qualifikation“
der Universität DuisburgEssen, herausgegebene Band bietet eine kritische Analyse der
europäischen Krise. Er befasst sich erstens mit den Entwicklungsmodellen und deren Scheitern
auf nationaler Ebene, zweitens mit den Fehlentwicklungen auf EU-Ebene, insbesondere der wirtschafts-
politischen Steuerungsarchitektur und deren Veränderungen im Zuge der Krise, und drittens mit
den Ungleichgewichten innerhalb der EU und der Eurozone. Die Analyse ist eine multidisziplinäre,
die Beiträge stammen von AutorInnen aus Politikwissenschaft, Arbeitsbeziehungsforschung, Soziologie
und Ökonomie. Michael Mesch
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