Arbeit&Wirtschaft 1/2013 9Interview
heute höchstens noch an die 20 Prozent.
Und man muss fairerweise sagen, es gibt
Erben, die arbeiten. Es gibt Erben, die ihr
Erbe ausschlagen, weil sie das Geld gar
nicht haben wollen. Es gibt alle Varian-
ten. Das ist die Gefahr im Umgang mit
Reichtum: Man sieht es zu einfach. Arm
wird gegen Reich ausgespielt, um eigene
Interessen zu vertreten. Ich finde das un-
befriedigend, meiner Ansicht nach sind
die Reichen nicht vordringlich verant-
wortlich dafür, dass die Armen arm sind.
In allen Milieus, ob arm oder reich, gibt
es großartige Menschen und das Gegenteil.
Könnte man das Geld fairer verteilen?
Die Verteilung von oben funktioniert
meiner Ansicht nach nicht. Ich glaube,
dass das demokratische und unternehme-
rische Modell das beste ist. Natürlich hat
es auch Schwachstellen. Die Verantwor-
tung derjenigen, die sehr viel Glück und
Privilegien haben für diejenigen, die kei-
ne Chance haben, muss größer werden.
Das klappt nicht, wenn Menschen wie
Felix Baumgartner ihr Geld im Ausland
deponieren ...
Wenn ich mithilfe eines Landes, einer
Region, einer Stadt meinen Erfolg hatte,
die Straßen benutzt habe, die Kranken-
häuser, wenn meine Kinder dort in die
Schule gegangen sind, dann kann ich
nicht irgendwann sagen: So Freunde, das
war es jetzt, ich ziehe um, damit ich ein
paar Millionen mehr habe. Das halte ich
für nicht verantwortungsbewusst. Das
Wichtigste, was ein Unternehmer für die
Gesellschaft tun kann, ist Arbeitsplätze
schaffen. Das ist die Realität, die allen
Familien, allen gesellschaftlichen Schich-
ten und Milieus etwas bringt. Die gro -
ßen Konzerne ziehen dahin, wo die
Steuern gering sind. Arme Länder ma-
chen die Steuern gering, damit die gro-
ßen Firmen kommen und deshalb ist
dieser Konflikt zwischen Arm und Reich
inszeniert. Die Finanzblase, die Milliar-
den, die in den Orbit gejagt werden und
auf die Allgemeinheit umgewälzt – das
sind die Krisenbeschleuniger.
Aber wer Geld hat, kann mehr speku-
lieren und Geld kommt zu Geld ...
Da reden wir von Superreichen – wo ganz
viel Geld ist, kann man auch viel mehr
Geld verdienen. Darüber gibt es keinen
Zweifel. Aber weltweit gibt es nur
130.000 Menschen, die mehr als 30 Mio.
haben. Der beliebte Gedanke, dass die
Reichen zur Rettung der Welt einfach et-
was abgeben, ist naiv. Allein wäre dies ein
großer Tropfen auf den heißen Stein.
Dennoch ist es nur fair, dass auch ein
Hochvermögender, der sich durch eigene
Leistungen Privilegien erarbeitet hat, et-
was an die Gesellschaft zurückgeben
sollte. Dazu sind ja die meisten auch be-
reit. Die Frage ist: Wem gibt man das zu-
sätzliche Geld, stiftet man das? Gibt man
das an den Staat? Diese Fragen werden
unter Vermögenden dauernd diskutiert.
Entscheidend aber ist es, die großen
Dimensionen der Bedrohung zu sehen:
Das sind im globalen Maßstab die un-
kontrollierten Finanzmärkte, das sind
strategische Spiele der Politik und das
sind Großkonzerne, die völlig ungezü-
gelt handeln können.
Da sind Reiche involviert: Bei Finanz-
märkten und Großkonzernen soundso
und in der Politik immer mehr. Wie
nimmt man die in die Verantwortung?
Das ist die alles entscheidende Frage. Hier
geht es aber um systemische Komplexität,
die kaum jemand wirklich durchschaut.
Hier geht es nicht nur um Reiche, son-
dern um Politik, internationale Netzwer-
ke, Heere von interessengebundenen Be-
ratern, Lobbyismus, Systemideologien
und letztlich auch um religiöse Einfluss-
sphären. Eins ist klar, mit diesem Thema
betreten wir auch das Reich der Schein-
heiligkeit.
Verdirbt Reichtum den Charakter?
Geld ist eine absolute Herausforderung
für den Charakter, weil die persönliche
Verfügungsgewalt mit Geld immer grö-
ßer wird. Das bedeutet, dass man sozu-
sagen eine Distanz zum Materiellen be-
kommt. Die alltäglichen Dinge kann
man sich kaufen. Jetzt kommt es darauf
an, auf welchem Niveau das passiert. Und
da ist es ein riesiger Unterschied, ob einer
500.000 hat, fünf Mio., 50, 600, 700
Mio. Wenn einer ein Leben lang 20.000
Euro im Jahr hatte und plötzlich 120.000
Euro im Jahr besitzt, ist das eine neue
Herausforderung. Wenn einer sechs Mio.
besaß und jetzt sieben hat, ändert sich für
ihn relativ wenig. Der Umgang mit die-
sen materiellen Dimensionen ist aber
nicht losgelöst vom Charakter, von der
Persönlichkeit, von Kultur und Religio-
sität, von der Herkunft usw. Diese Fak-
toren analysieren wir an unserem Institut.
Reichtum ist ein zweischneidiges Schwert.
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Geld ist eine absolute Herausforderung für
den Charakter, weil die persönliche
Verfügungs gewalt mit Geld immer größer wird.
Das bedeutet, dass man sozusagen eine
Distanz zum Materiellen bekommt.