Arbeit&Wirtschaft 4/20134 Arbeit&Wirtschaft 10 1Historie
Zurück in die Zukunft
D
as müsste man doch erfinden,
dachte ich mir oft als Kind, auf-
gewachsen mit Enterprise und
Perry Rhodan. Sicher, beamen
war noch etwas unrealistisch, aber ein
winziger Fernsehapparat, auf dem man
an den faden Wandertagen mit der Fa-
milie, die heiß geliebten Sendungen ver-
folgen kann – so etwas könnte doch ir-
gendwann einmal möglich sein. Und
wenn man wüsste, ob der große Schwarm
gerade jetzt zu Hause anruft und niemand
abhebt, das wäre doch gut zu wissen,
dachte ich mir mehr als einmal. Wie oft
wollte ich etwas im Lexikon nachschla-
gen und vergaß es oder verwickelte mich
in hitzige Diskussionen. Ohne ein bis
zwei Bücher in der Tasche verließ ich 40
Jahre lang kaum das Haus. Mindestens
eines zum Lesen und eines zum Schrei-
ben. Dazwischen lagen manchmal – im-
mer seltener – Liebesbriefe, nie abge-
schickt. Und ein Fotoapparat – wenn
nicht zu schwer. Verpasste Gelegenheiten.
Mobiltelefon immer dabei
Da sitzen sie, die Kinder, die heute Kids
heißen, auf der Sonnenterrasse und star-
ren in ihre Mobiltelefone. Sie zeigen sich
lustige Clips, die ihnen ihre Freunde
gerade übermittelt haben, von einer an-
deren Sonnenterrasse, einem anderen
Familienwandertag. „Warte ich schau
nach …“ bietet das Mädchen dem Vater
an und googelt bereits im Handy. Der
kleine Bub macht Fotos mit dem Telefon
der Mutter.
Auch ich habe mein Mobiltelefon
dabei. Schnell noch die Mails überprü-
fen an diesem halben Fenstertag. Kleine
Änderungen kann ich direkt ins Doku-
ment schreiben, über soziale Netzwerke
mit anderen rasch kommunizieren.
Meine Interviews nehme ich mit dem
Handy auf und sende sie an den Com-
puter. Und doch muss ich nicht zu
Hause vor dem Computer, neben einem
Fax gerät in einer Redaktion oder gar in
der Druckerei ausharren. Ich trage nicht
wie vor 25 Jahren ein kiloschweres Ton-
bandgerät mit mir herum Ich habe Zeit
gewonnen und bezahle sie mit Zeit. Die
Arbeit scheint leichter geworden, aber
nicht weniger.
79 Prozent der Haushalte in Öster-
reich sind mit einem Computer ausge-
stattet, gleich viele wie mit Geschirrspü-
lern. 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen
nutzen Computer für ihre tägliche Ar-
beit, aber auch die Tätigkeit der Heim-
hilfe oder der Reinigungskraft lässt sich
ohne Mobiltelefon kaum mehr vorstel-
len. Das wird nicht nur zur flexibleren
Planung eingesetzt, sondern auch zur
Zeitkontrolle. Und weil alles so schnell
geht, vergisst man sehr gerne, dass Men-
schen an den Geräten sitzen und die
Arbeit letztendlich von Menschen getan
wird.
Große Veränderungen
Die neuen Informations- und Kommu-
nikationstechnologien (IKT) verbreiten
sich nicht nur bei uns in allen Bevölke-
rungsschichten, sie verändern auch global
einiges: Ob in China, Afrika oder in
Indien, andere Rohstoffe sind gefragt,
neue Arbeitsmöglichkeiten erschließen
sich, Information und Kommunikation
verändern sich, politisches Handeln auch.
Nicht immer zum Besten – denn die
IKT werfen auch massive Probleme auf,
vom Weltraummüll über die Ersetz-
barkeit durch Maschinen bis hin zur
Selbstausbeutung gibt es jede Menge
durchaus ernst zu nehmender Bedro-
hungsszenarien.
Da müsste man doch etwas erfinden,
damit wir weiter die Maschinen regieren
und nicht sie uns, damit die Technik
uns die Arbeit erleichtert und die ver-
bliebene Arbeit gerechter aufgeteilt
wird, damit nicht nur der Markt regiert,
sondern der Mensch im Mittelpunkt
bleibt. Hat man schon längst: Solidari-
tät nennt sich das, die Gewerkschaften
betreiben es.
Katharina Klee
Chefredakteurin
Standpunkt
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