Nicht zuletztArbeit&Wirtschaft 3/2013 45
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anche Politikbereiche werden
mit positiven Erwartungen über-
schüttet; Forschungspolitik ist
einer davon. Sie soll die Men-
schen klüger machen, ihre Jobs attraktiver,
die Volkswirtschaft reicher und die Welt
besser. An solchen Erwartungen kann man
nur scheitern. Dieses Scheitern zu vermei-
den ist in Österreich bisher vergleichswei-
se gut gelungen, aber ist die aktuelle For-
schungspolitik deshalb schon ein Erfolg?
Forschung und Entwicklung (F&E)
sind zentral für eine hoch entwickelte
Volkswirtschaft wie Österreich. Je mehr
geforscht und entwickelt wird, umso bes-
ser. Meist ist das verbunden mit der For-
derung nach mehr – öffentlichem –
Geld. Aber wo gibt es Defizite im
F&E-Bereich und wird das mehr an
Geld für die richtigen Schwerpunkte
ausgegeben?Natürlich kann man die
Auffassung vertreten, dass ein Land, das
von öffentlicher Seite einen wenig zu-
kunftsorientierten Bereich wie Landwirt-
schaft mit rund 2,5 Mrd. Euro jährlich
fördert und demgegenüber F&E inklusi-
ve Universitäten mit nur rund 3,4 Mrd.
noch Luft nach oben hat.
In den letzten Jahren hat es insbeson-
ders bei der angewandten Forschungsför-
derung einen deutlichen Anstieg gege-
ben. Das hatte aber auch zur Folge, dass
sich die öffentlichen Förderungen inner-
halb der Sektoren verschoben haben:
Entfielen 2002 noch 74 Prozent auf die
Universitäten, waren es 2009 nur noch
66 Prozent. Aber auch der Ruf nach
mehr Geld vonseiten der Universitäten
ist aufgrund mangelnder vergleichbarer
Daten (Dank Autonomie) – etwa die
Kosten von Studienplätzen an einzelnen
Universitäten betreffend – kaum zu
überprüfen.
Bottleneck Bildung
Allerdings stellen unterschiedliche wis-
senschaftliche Befunde fest, dass die größ-
ten Probleme bei der Forschung in der
notwendigen Voraussetzung, der Bildung
liegen. So die sogenannte Systemevaluie-
rung des WIFO: „Die Bildung und
Hochschulforschung sind die Bottlenecks
des österreichischen Innovationssys-
tems.“ In Österreich liegt die Akade-
mikerInnenquote laut OECD bei rund
19 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt
bei 28 Prozent und jener der OECD gar
bei 31 Prozent. Dafür gibt es mehrere
Gründe – nicht nur negative – wie etwa
der starke Schwerpunkt auf berufsbilden-
den Schulen, deren AbgängerInnen di-
rekt ins Erwerbsleben eintreten. Gleich-
zeitig hat Österreich relativ spät mit dem
Ausbau der Fachhochschulen begonnen
und verzeichnet hohe Drop-out-Raten
beim Studium selbst. Bedenklich ist aus
fortschrittlicher Perspektive vor allem das
immer noch existente Problem der sozi-
alen Schieflage bei höherer Bildung
(Stichwort „Vererbung“). Um dem ent-
gegenzuwirken, bräuchte es eine gerin-
gere Selektion bei der schulischen Aus-
bildung. Was hier in Österreich fehlt, ist
seit Jahren gut erforscht aber offenbar
nicht durchsetzbar: ganztägige Schul-
formen und eine gemeinsame Schule der
6- bis 14-Jährigen.
Bildung ist also eine notwendige Vo-
raussetzung für mehr F&E. Das Mehr an
Mitteln in F&E ist in den eingangs schon
erwähnte Bereich der privaten Unterneh-
men geflossen und hier in indirekte/steu-
erliche Forschungsförderungen. Diese
sind von unter 100 Mio. Ende der
1990er-Jahre auf fast 600 Mio. gestiegen.
Gerade in Zeiten knapper Budgets müs-
sen Mittel zielgerichtet eingesetzt wer-
den. Steuerliche Forschungsförderung ist
aber indirekt – quasi ein Spiel über die
Bande. Im Gegensatz zur konkreten Pro-
jektförderung ist Effektivität damit nicht
gewährleistet. Mitnahmeeffekte sind vor-
programmiert und das vor dem Hinter-
grund des EU-Ziels, dass jedenfalls zwei
Drittel der F&E-Ausgaben von den Un-
ternehmen selbst geleistet werden sollten.
Derzeit liegt der Staat aber noch bei
knapp 40 Prozent Finanzierungsanteil.
Zusammengefasst muss es in den
nächsten Jahren darum gehen, die beste-
hende Förderung der angewandten For-
schung zu evaluieren und zu adjustieren,
die Datenlage bei den Universitäten zu
verbessern, die Drop-outs zu reduzieren
und vor allem das Bildungssystem end-
lich in die Diskussion um Forschungspo-
litik miteinzubeziehen.
Was ist erfolgreiche F&E-Politik?
Silvia Angelo
Leiterin der Abteilung
Wirtschafts politik der AK Wien
Nicht zuletzt
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