Arbeit&Wirtschaft 1/2014 21Schwerpunkt
jährlich immerhin 40.000 Euro. „Davon“,
meint der steirische Kollege, „können wir
nur träumen.“
Interregionales Handeln
Beim erwähnten Treffen in Slowenien wa-
ren drei verschiedene Inter regionale Ge-
werkschaftsräte dabei. Neben dem italie-
nisch-slowenischen waren es noch die IGR
Steiermark/Podravje-Pomurje und Kärn-
ten/Gorenjska-Koroska. In ganz Europa
gibt es knapp 50 dieser vom Europäischen
Gewerkschaftsbund (EGB) anerkannten
Gremien. Geografisch finden sich die IGR
vom südlichsten Rat zwischen Sizilien und
Malta bis hinauf an den Polarkreis, wo die
finnischen, schwedischen und norwegi-
schen GewerkschafterInnen kooperieren.
Österreich ist mit seinen neun IGR „Euro-
pameister“. Jedes Bundesland mit Ausnah-
me Wiens hat eine permanente grenzüber-
schreitende Gewerkschaftskooperation.
Wie die Arbeit in den Gremien auszu-
sehen hat, ist nicht genau geregelt. Man-
che IGR geben sich ambitionierte Jahres-
arbeitsprogramme, andere treffen sich
einfach fallweise. Für alle IGR gilt aller-
dings, dass die persönlichen Kontakte aus-
schlaggebend sind. Wie immer haben die
zwischenmenschlichen Beziehungen star-
ken Einfluss auf die Intensität der Zusam-
menarbeit auch im gewerkschaftlichen Be-
reich. Beim Treffen in Slowenien konnte
man spüren, wie gut sich die Personen
kennen, und vor allem, mit welchem En-
thusiasmus sie sich neuen Herausforde-
rungen stellen.
Szenenwechsel: Blicken wir nach Nor-
den. Die Zusammenarbeit zwischen den
tschechischen Gewerkschaften Südmäh-
rens und jenen in Niederösterreich gab es
schon lange vor der Öffnung der Grenzen.
Auch der Kommunismus konnte den gu-
ten Beziehungen nichts anhaben. Darauf
angesprochen meint Stanislava, die Lan-
dessekretärin der Tschechisch-Mährischen
Konföderation der Gewerkschaften
(ÈMKOS): „Auf beiden Seiten sind es vor
allem Weingebiete, die den Regionen ei-
nen Stempel aufgedrückt haben. Und es
ist ja auch kein Geheimnis, dass der Wein
einen sehr verbindenden Charakter hat.“
So einfach ist es natürlich nicht. Hin-
ter den engen Kooperationen stecken viel
Arbeit und zahlreiche EU-geförderte Pro-
jekte, die Niederösterreich und Südmäh-
ren in den letzten zehn bis zwölf Jahren
einander noch näher gebracht haben. Da
gab es große Kooperationsvorhaben unter
bezeichnenden Namen wie „Gemeinsam
erweitern“ (vor dem EU-Beitritt Tsche-
chiens), „Grenzraum aktiv“ oder „Zu-
kunftsraum Wien-Niederösterreich-Süd-
mähren“. Dabei wurden unzählige
Seminare, Konferenzen, Betriebsbesuche,
Branchentreffen, Sprachkurse, Lehrlings-
wettbewerbe und nicht zuletzt eine sehr
effektive Rechtsberatung in tschechischer
Sprache durchgeführt. Gerade die recht-
liche Hilfeleistung für tschechische Ar-
beitnehmerInnen in ihrer Muttersprache
hatte sich bewährt. Nachdem keine För-
dergelder mehr zur Verfügung standen,
musste sie allerdings nach fünf Jahren ein-
gestellt werden. In diesem Zeitraum konn-
te mindestens 6.000 Tschechinnen und
Tschechen geholfen werden. Sei es, um
ihre Rechtsansprüche in Österreich gel-
tend zu machen oder sie einfach nur vor
Arbeitsantritt in Österreich über die beste-
hende Rechtssituation zu informieren.
Hunderte Menschen konnten aus der
Schwarzarbeit herausgeführt werden und
ebenso viele falsche Kollektivvertrags-
einstufungen wurden – nach Urgenz
durch den ÖGB – korrigiert. Angespro-
chen auf die Frage, wie es ohne EU-Förde-
rungen weitergehen soll, zeichnet der nie-
derösterreichische Gewerkschaftssekretär
Norbert ein dennoch optimistisches Bild:
„Wir werden auf keinen Fall die Zusam-
menarbeit über die Grenze abbrechen. Zu
viel steht für beide Seiten auf dem Spiel.
Die Region ist schon längst zu einer ge-
meinsamen geworden, denn der Raum
zwischen Brünn und Wien kennt heute
keine Hindernisse mehr. Wir geben daher
nicht auf und planen für 2015 wieder ein
gemeinsames Projekt.“
Positive Stimmung
Die durchwegs positive Stimmung herrscht
in den meisten IGR vor. Während man in
Brüssel oft ratlos über Europas Zukunft
diskutiert, pessimistisch vom Europa der
verschiedenen Geschwindigkeiten und na-
tionaler Unterschiede philosophiert, sind
die Gewerkschafterinnen und Gewerk-
schafter in unseren Grenzregionen in ihrem
Handeln ganz zielbewusst. Sie müssen
„ihr“ Europa nicht erst suchen, es liegt
nämlich vor ihrer Haustür. Für sie gibt es
schon längst keine Grenzen mehr und nur
ein, nämlich unser gemeinsames, Europa.
Schreiben Sie Ihre Meinung
an den Autor
marcus.strohmeier@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at
©
Ö
GB
-V
er
la
g/
Pa
ul
S
tu
rm
Es war und ist diesen Kolleginnen und Kollegen
klar, dass die Welt nicht an einer Grenz-
markierung endet, und selbst der an vielen
Orten lange existierende Eiserne Vorhang
stellte im nachbarschaftlichen Dialog kein
unüberwindliches Hindernis dar.