Arbeit&Wirtschaft 2/201610 Interview
Ich glaube, dass Ausbildung nie umsonst
ist. Selbst dann, wenn jemand dann in
ein anderes Land geht, hat er ein Stück
Österreich mitgenommen. Wir sind ein
exportorientiertes Land und wollen un-
sere Produkte international verkaufen.
Ich war jetzt mit vielen Wirtschafts-
delegationen im Ausland, und es sind
immer jene Menschen, die in Österreich
etwas gelernt, vielleicht bei uns die Uni
gemacht haben, unsere Botschafterin-
nen und Botschafter. Sie sind jene, die
die Türe öffnen, damit österreichische
Unternehmen ihre Produkte verkaufen
können. Ich glaube, selbst wenn man
hier jemanden ausbildet, der dann wo-
anders hingeht: Das hat für Österreich
Benefits und einen wichtigen Wert.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist
für AsylwerberInnen sehr stark einge-
schränkt. Ist es verantwortungsvoll, sie
so lange zur Untätigkeit zu zwingen?
Wir müssen die derzeit angespannte Si-
tuation am heimischen Arbeitsmarkt be-
denken. Aber grundsätzlich sage ich
schon: Wenn man Integration haben will,
muss man es schnell machen. Insofern ist
es wichtig, Menschen, die hier leben,
auch in die Gesellschaft aufzunehmen.
Schafft man mit der Ungleichbehand-
lung nicht eine künst liche Konkurrenz
zwischen In- und AusländerInnen, die
unterm Strich alle schwächt?
Man muss unterscheiden. Das eine ist:
Wie geht man mit Asyl und der Menge
um? Damit muss man sorgsam umgehen,
damit es in einem geordneten Rahmen
funktioniert. Insofern gibt es natürlich
Regelungen, die hier Grenzen ziehen.
Wenn man aber integriert, sollte man gut
integrieren. Ein wichtiges Integrations-
projekt ist natürlich der Zugang zu
Arbeit. Menschen von der Arbeit auszu-
schließen ist immer ein Problem.
Es gibt den oft kritisierten Bartenstein-
Erlass, der den Zugang zum Arbeits-
markt auf bestimmte Berufe einschränkt.
Gibt es Chancen, dass der fällt?
Menschen, die einen positiven Asylstatus
haben, haben aus meiner Sicht völlig rich-
tig einen Zugang. Das ist in Österreich
sichergestellt und das ist richtig und gut.
Es ist natürlich nicht sichergestellt, dass
diese wirklich Arbeit bekommen. Dann
geht es um die Frage: Wie ist der Status
von Menschen in der Phase, in der sie
Asylwerber sind? Hier gibt es eine Gren-
ze von drei Monaten, die zur Abgrenzung
zum Tourismus dient. Ich glaube, das
macht auch Sinn, dass wir diese Abgren-
zung haben. Und dann stellt sich die Fra-
ge: Wie lang dauern solche Verfahren?
Diese sollten natürlich sehr kurz dauern.
In der Regel können AsylwerberInnen
im Tourismus oder in der Landwirt-
schaft arbeiten - ohne Rücksicht auf ih-
re Qualifikation. Ist das sinnvoll?
Es geht schon darum, sich anzusehen:
Wo gibt es ein Potenzial und wie gehe ich
damit um? Aus meiner Sicht ist es viel
wichtiger, kürzere Verfahren in der Fest-
stellung zu haben: Wann bekommt je-
mand Asyl und wann nicht. Das ist aus
meiner Sicht der richtigere Weg.
Zum Thema Pensionen: Auch da wird
argumentiert, die Leute müssten dazu
motiviert werden, länger zu arbeiten.
Wie sehen Sie das?
Zunächst einmal: Was ist die Funktion
einer Pension? Es geht darum, kollektiv
zu schützen, dass Menschen im Alter Ein-
kommen haben. Es war die Gewerk-
schaftsbewegung, die durchgesetzt hat,
dass Menschen kollektiven Schutz im Al-
ter haben, so sind Pensionsversicherun-
gen an sich entstanden.
Wir haben in Österreich mit dem
Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz
vor 60 Jahren erstmals der breiten Masse
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mern ein Recht auf Altersabsicherung
gegeben. Dieses Recht ist schon damals
kritisch hinterfragt worden. Viele haben
gesagt: Das kann sich nie ausgehen. Wir
haben jetzt 60 Jahre die Erfahrung, dass
es sich ausgegangen ist.
Andere wollen kapitalgedeckte Pen-
sionen und die haben in der Krise ei-
gentlich versagt. Da hat es Länder gege-
ben, in denen die Menschen keine Pen-
sion mehr bekommen haben, oder es
gab massive Einschnitte. In diesen Län-
dern hat das die wirtschaftliche Spirale
nach unten sogar verstärkt. Das Umla-
gesystem in Österreich war in der Krise
ein wichtiger Stabilisator.
2,5 Millionen Menschen, ein Viertel
der österreichischen Bevölkerung, haben
davon Einkommen. Und das ist etwas
Gutes. Jetzt muss man darangehen, die-
se Form der Pension zu stärken und wei-
terzuentwickeln. Es ist wichtig, dass die
Pensionen nicht nur aus lohnabhängi-
gen Abgaben finanziert werden, sondern
es einen Staatszuschuss gibt. Damit wird
das System stabilisiert und nicht nur –
wie die Wirtschaft beklagt – aus Lohn-
abgaben finanziert.
Was helfen Qualifizierung, Rehabilita-
tion und andere Maßnahmen, wenn
auch bei Pensionen gilt: Die Jobs fehlen?
Da geht es um zwei unterschiedliche Fra-
gen. Die erste ist: Können wir akzeptie-
ren, dass Menschen in der Arbeit krank
werden? Da sage ich: Nein! Wenn Men-
schen krank werden, brauchen sie Hilfe
zur Gesundung. Es hat eine Phase gege-
ben, in der man die Menschen eher krank
gemacht hat, damit sie in Pension gehen
und nicht mehr am Arbeitsmarkt auf-
scheinen. Ich halte das für nicht korrekt.
Wenn ich jetzt merke, dass es welche
gibt, die krank sind, die Rehabilitation
brauchen, dann ist es der richtige
Schritt, ihnen diese auch anzubieten. Es
gibt aber auch Krankheitsbilder, wo klar
ist, ich bin nicht mehr in der Lage, ei-
nen Job auszuüben. Da macht es Sinn,
hier eine dauernde Invaliditätspension
zu vergeben.
Wenn ich eine Berufsqualifikation
habe, die ich nicht mehr ausüben kann,
aus gesundheitlichen Gründen oder weil
sie sich auch technologisch überholt hat:
Dann ist es wichtig, berufl iche Rehabili-
tation zu machen. Dahinter steckt im-
mer ein Ziel: dass die Menschen gesund
in Pension gehen können.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Sonja Fercher
für Arbeit&Wirtschaft.
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Redaktion
aw@oegb.at