Arbeit&Wirtschaft 1/201630 Schwerpunkt
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a stand ich also. Frisch gewählt
und mit jeder Menge Tatendrang.
Und leider auch ohne allzu viel
Ahnung von der Materie. „Jetzt
machst du einmal den Grundkurs“, sagte
mir mein Betriebsratsvorsitzender und
erledigte für mich die Anmeldung bei
unserem betreuenden Gewerkschaftsse-
kretär. „Mitglied ist der Kollege eh?“,
fragte der Sekretär mehr rhetorisch. Na-
türlich war ich zu diesem Zeitpunkt Ge-
werkschaftsmitglied. Ich war es schon
lange zuvor geworden. Schon während
meiner Lehrzeit. Damals kam ein Vertre-
ter der Gewerkschaftsjugend zu uns in
die Berufsschule und erklärte, wie wich-
tig es für uns junge Menschen ist, in die
Gewerkschaft einzutreten. Es brauchte
nicht viel, um mich zu überzeugen. Und
nun hatte ich auch einen unmittelbaren
Vorteil aus meiner Mitgliedschaft: Ich
konnte den Grundkurs für Betriebsrats-
mitglieder besuchen.
Praxisnah
Eine Woche lang wurden mir dort die
wichtigsten Grundlagen der Betriebsrats-
tätigkeit nähergebracht, gemeinsam mit
einer Gruppe anderer Betriebsratsmit-
glieder aus den verschiedensten Berei-
chen. Die meisten waren erst wenige Wo-
chen oder Monate im Amt. Genauso wie
ich. Wir lernten, dass es ein Arbeitsverfas-
sungsgesetz gibt und welche Rechte uns
daraus zustehen. Wir lernten, dass wir als
Betriebsratsmitglieder die nötige Zeit für
unsere Tätigkeit frei bekommen müssen.
Wir lernten, dass wir einen Anspruch auf
Bildungsfreistellung haben.
Und diesen Anspruch auf Bildungs-
freistellung habe ich auch ausgiebig ge-
nützt. Zum Beispiel, um meine Kennt-
nisse im Arbeitsrecht weiter zu vertiefen.
Ich absolvierte zu diesem Zweck den
Aufbaukurs für Betriebsratsmitglieder
meiner Fachgewerkschaft. Wieder durf-
te ich mich eine Woche lang fortbilden
– und wurde dabei auch noch verköstigt
und beherbergt. Gar nicht auszuden-
ken, was mich das gekostet hätte, wenn
ich kein Gewerkschaftsmitglied gewesen
wäre und die Kosten für Kurs und Auf-
enthalt selbst hätte tragen müssen. Jetzt
einmal ganz abgesehen davon, dass au-
ßer den Gewerkschaften niemand derar-
tige Kurse anbietet. Und selbst wenn,
hätte ich dann wohl nicht in den Ge-
nuss kommen können, dass ich von
Kolleginnen und Kollegen aus der Pra-
xis unterrichtet worden wäre. Denn es
waren betriebsbetreuende SekretärIn-
nen, die den Grund- und Aufbaukurs
gestaltet haben. Es gab keine Frage, auf
die sie nicht eine Antwort gehabt hät-
ten. Und alle Antworten hatten Praxis-
bezug. Wir haben in den Kursen das
bekommen, was wir dringend gebraucht
haben: die Grundlagen für unsere Tätig-
keit als Betriebsratsmitglieder, verständ-
lich erklärt und aufbereitet.
Geänderte Anliegen
Nach einigen Jahren als Betriebsratsmit-
glied wurde ich Vorsitzender des Gremi-
ums. Nun änderten sich auch meine An-
liegen an die Gewerkschaft. Es tauchten
immer wieder Fragen auf, zu deren Be-
antwortung ich kompetente Unterstüt-
zung brauchte. Auch hier bekam ich Hil-
fe von meiner betreuenden Sekretärin.
Die Problemlagen waren dabei durchaus
vielfältig. Es waren im seltensten Fall rei-
ne Rechtsfragen, die wir zu klären hatten.
Zumeist ging es mehr um die Frage, wie
wir das Recht durchsetzen können und
wie wir für die betroffenen KollegInnen
das Beste herausholen. Ich glaube, ich
hätte wohl lange suchen müssen, um ei-
ne Rechtsanwaltskanzlei zu finden, die
mich so umfassend hätte beraten und be-
treuen können, wie es meine Fachgewerk-
schaft für mich getan hat. Die Kosten für
eine derartige Betreuung und Unterstüt-
zung wage ich gar nicht erst zu schätzen.
Mehr Bildungsbedarf
Dann kamen auch noch verschiedene
Verhandlungen mit der Geschäftsfüh-
rung und die damit in Zusammenhang
stehenden Fragen: Worüber können wir
Vereinbarungen abschließen? Welche
Wirkung hat welche Vereinbarung? Und
manchmal als wichtigster Punkt: Wie
kommen wir aus einer verfahrenen
Verhandlungssituation wieder heraus?
In all diesen Fragen bekam ich Unter-
stützung von den Kolleginnen und Kol-
legen aus der Fachgewerkschaft und
dem ÖGB.
Nachdem meine Aufgaben immer
mehr und vielfältiger wurden, wurde
auch mein Bildungsbedarf größer. Da
bot sich mir die Möglichkeit, die Be-
triebsräteakademie des ÖGB und der
AK (BRAK) zu besuchen. Drei Monate
lang durfte ich mich ganztägig meiner
Bildung widmen. Auf dem Programm
Unterstützung im Ehrenamt
Das Leben als Betriebsratsmitglied ist ohne Gewerkschaft nicht denkbar.
Ein Bericht aus eigener Erfahrung.
Martin Müller
ÖGB Sozialpolitik
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