14 Arbeit&Wirtschaft 4/2018
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as Budget ist in Zahlen gegosse-
ne Politik. Die strategischen
Schwerpunkte eines Regierungs-
programmes spiegeln sich somit
in den Anforderungen der Budgetpo-
litik. In der Kreisky-Ära galt – auch
aufgrund der Erfahrungen des Bundes-
kanzlers in der Zwischenkriegszeit –
Vollbeschäftigung als wichtigstes wirt-
schaftspolitisches Ziel. Entsprechend
wurde das Budget als eines der Instru-
mente der Beschäftigungspolitik einge-
setzt. Mit Erfolg, denn in Österreich
blieb die Arbeitslosenquote bis Anfang
der 1980er-Jahre – und damit länger
als in fast allen anderen europäischen
Ländern – unter zwei Prozent der un-
selbstständigen Erwerbspersonen. Ent-
gegen der öffentlichen Meinung ge-
schah dies übrigens nicht auf Kosten
der Budgetzahlen: Unter Finanzminis-
ter Androsch wies Österreich von 1970
bis 1974 durchgehend erhebliche Bud-
getüberschüsse auf und das Defizit in
der gesamten Vollbeschäftigungsperio-
de bis 1982 lag mit durchschnittlich
1,5 Prozent des BIP pro Jahr niedriger
als im EU-Durchschnitt und in
Deutschland.
Sozialstaat und Abgabenquote
Beginnend mit den 1960er-Jahren und
noch bis Mitte der 1990er-Jahre präg-
ten Auf- und Ausbau des Wohlfahrts-
staates die Budgetpolitik. Die Sozial-
quote, also der Anteil der öffentlichen
Ausgaben für Soziales und Gesundheit,
stieg von 20 auf 30 Prozent des BIP.
Inkludiert man die Ausgaben für Bil-
dung, dann gehen heute sieben von
zehn Euro der Staatsausgaben in diese
drei Bereiche. Nahezu völlig parallel
zum Anstieg der Sozialquote stieg auch
die Abgabenquote, der Anteil von
Steuern und Beiträgen am BIP, von
32 auf 42 Prozent. Denn der Politik
und der Gesellschaft war klar, dass ein
Ausbau des sozialen Sicherungssystems
aus Steuern und Beiträgen finanziert
werden muss und nicht aus Kreditauf-
nahmen.
Die politischen Alternativen sind
also recht eindeutig definiert: gutes So-
zialsystem kombiniert mit hoher Ab-
gabenquote oder niedrige Steuern ver-
bunden mit schlechtem Sozialsystem.
Österreich hat seinen Weg gewählt,
nicht zum Schaden der Menschen und
der Wirtschaft im Land.
Das Erbe der Bankenrettung
Dennoch ist über die Jahrzehnte die
Schuldenquote, also der Anteil der
Bruttoschulden des Gesamtstaates am
BIP, gestiegen, von 43 Prozent am
Ende der Ära Kreisky auf 65 Prozent
im Jahr 2007 und 85 Prozent im Jahr
2015. Der sprunghafte Anstieg in der
Finanzkrise nach 2007 ist das Ergeb-
nis der umfangreichen Hilfen für das
Bankensystem (30 Milliarden Euro)
und des tiefen Wirtschaftseinbruchs,
der die Staatseinnahmen nach unten
drückte und die Ausgaben für die Ar-
beitslosigkeit nach oben schnellen
ließ. Doch selbst im Jahr 2016 haben
die öffentlichen Vermögenswerte die
Schulden merklich überstiegen. Staat-
liche Infrastruktur (Schienennetz,
Straßen, Wohnbau, Bildungseinrich-
tungen und Ähnliches), staatliche Un-
ternehmensbeteiligungen, Finanzver-
mögen und Grundstücke wurden mit
Kreditaufnahme finanziert.
Kuriose Unterlassung
Aus ökonomischer Sicht ist das ver-
nünftig, weil dieser öffentliche Kapi-
talstock den künftigen Generationen
zugutekommt. Doch kurioserweise
wird das öffentliche Vermögen in
internationalen Vergleichen oder
budgetpolitischen Analysen gar nicht
berücksichtigt, ganz im Gegenteil
zum Unternehmenssektor, wo es ei-
nem niemals einfallen würde, die Sol-
venz eines Unternehmens nur anhand
seiner Schulden und nicht auch an-
hand seines Anlagevermögens zu be-
urteilen.
Eine markante Trendwende in den
Zielsetzungen der Budgetpolitik ging
von den EU-Vorgaben aus: Stabilitäts-
pakt und Fiskalpakt stellten die Errei-
chung von Budgetzielen – mittelfristi-
ges strukturelles Nulldefizit und Schul-
denquote von 60 Prozent des BIP – in
den Mittelpunkt. Österreich hat diese
Weichenstellung akzeptiert und die
budgetpolitische Strategie neu ausge-
richtet. Das strukturelle Defizit wurde
durch einen ausgewogenen Maßnah-
menkatalog aus Steuererhöhungen
und Ausgabeneinsparungen von drei
Prozent in der Finanzkrise 2009 auf
Markus Marterbauer
Abteilung Wirtschaftswissenschaft
der AK Wien
Budget = Prioritäten setzen
Senkung der Abgabenquote und Nulldefizit oder Investitionen in Beschäftigung,
sozialen Zusammenhalt und ökologischen Umbau?
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