wesentlichen Ursachen der Teuerungswelle. Massive theoretische Unter¬
stützung erhielt Varga aber von Rudolf Hilferding.4 »In seinem inter¬
essanten Aufsatz >Goldproduktion und Teuerung< « — schreibt Hilferding
— »verficht Genosse Varga die These, daß die Veränderung der Gold¬
produktion nicht die Ursache der Teuerung sein können. Wir sind nun der
gleichen Ansicht, glauben aber, daß die Beweisführung Vargas, um schlüs¬
sig zu sein, noch einer wesentlichen Ergänzung bedarf.« Hier kommt dann
eine brillante, auch für die Goldfrage in der Periode nach dem ersten
Weltkrieg ausschlaggebende Analyse: »Die staatliche Regelung des Geld¬
wesens bedeutet eine prinzipielle Änderung in dem Verhältnis von Gold
und Ware. Das Austauschverhältnis von Goldmünze und Ware wird durch
das staatliche Eingreifen fixiert; aber nicht willkürlich; der Staat über¬
nimmt nur ein historisch-naturwüchsig übernommenes Verhältnis, er kann
auch, solange der Mechanismus derselbe bleibt, daran nichts ändern. Än¬
derungen in den Produktionskosten des Goldes wirken nicht auf das Aus¬
tauschverhältnis der Goldmünze zu den Waren, sondern entscheiden nur
über die Frage, welche Goldlager noch mit Aussicht auf Profit in Angriff
genommen werden können.«
Nach diesem Aufsatz meldete sich Kautsky noch einmal mit einem um¬
fassenden Artikel zu Wort.5 Auch er halte die Revolutionierung der Gold¬
produktion nur für eine zweitrangige Ursache der Teuerung. Seine Aus¬
führungen über die Gesamtheit der Ursachen klingen durchaus modern,
nur weniges davon ist zeitgebunden. Wohl haben wir für manche von
Kautsky gebrauchte Begriffe neue Wörter geprägt, doch alles Wesentliche
stimmt meines Erachtens auch heute. Zusammenfassend zeigt Kautsky
folgende Faktoren auf: »Die preissteigernde Wirkung des Privateigentums
an Boden in Amerika, die verstärkt wird durch die Folgen des Raubbaus
in Rußland und Amerika, durch die Zunahme von Verbänden der Händler
und Produzenten, vielleicht auch durch die Revolutionierung der Gold¬
produktion. Technische Fortschritte und das Auffinden neuer Goldlager
haben den Wert des Goldes möglicherweise rascher gesenkt als den Wert
der Lebensmittel, da die Produktivität der Landwirtschaft infolge der
Hemmungen des Privateigentums an Boden, der Erhaltung des technisch
rückständigen Kleinbetriebs und der Landflucht der Arbeiter nur langsam
steigt. Nimmt man zu alledem noch die wachsenden Schutzzölle sowie die
Steuererhöhungen der letzten Jahre, dann hat man so ziemlich die Ur¬
sachen der Teuerung beisammen. Sie alle sind dauernder Natur. Auch auf
Agrarzölle und Steuererhöhungen werden die herrschenden Klassen nicht
freiwillig verzichten, sie sind die notwendige Folge des imperialistischen
Kolonial- und Rüstungsfiebers, das sich des Kapitalismus bemächtigt hat.«
Auch Otto Bauer nahm noch einmal zu dieser Diskussion Stellung.6 Er
akzeptierte die Tatsache, daß in der Goldproduktion keine Konkurrenz
besteht und daher eine Erhöhung der Produktivität in gewissen Gruben
nur die Differentialrente erhöht. Trotzdem versuchte er, seine ursprüng¬
liche These durch einen neuen Gedankengang zu untermauern. Die Gold¬
produktion, sagte er, sei zwar nicht selbst kompetitiv, beeinflusse aber die
Konkurrenzverhältnisse in den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Die in
der Goldproduktion erzielten Extraprofite entziehen anderen Produktions-
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