Full text: Wirtschaft und Gesellschaft - 1975 Heft 2 (2)

gebremsten Wachstums stellt die Rezession keine Lösung dar. Denn es ist nicht dasselbe, ob eine Verlangsamung des BNP-Wachstums naturwüchsig und gegen den Willen der ohnmächtigen Betroffenen sich ergibt, oder ob sie das Resultat einer bewußten wirtschaftspolitischen Aktion ist. Die Gespaltenheit des Denkens wird vielmehr daran mani¬ fest, wie man aus der gegenwärtigen Misere herauszukom¬ men sucht: nämlich durch Wiederbelebung der privaten Investitions- und Produktionstätigkeit, die die Wachstums¬ raten auf ihre alten Höhen hinaufführen und die goldenen Zeiten der Prosperität zurückbringen soll, in denen die traditionellen Ziele der Wirtschaftspolitik, die da heißen Wachstum, Vollbeschäftigung, mäßige Inflation und Zah¬ lungsbilanzausgleich, zwar nie perfekt, aber wenigstens einigermaßen unter einen Hut gebracht werden konnten. Die Rezession führt eindrucksvoll die Schwierigkeiten vor Augen, die auftauchen, wenn ein auf Expansion beruhen¬ des System auf dem erreichten Stand eingefroren werden oder das Tempo seiner Expansion gebremst werden soll. »Wer das System auf dem jetzigen Stand festschreiben will, stürzt es in eine zusätzliche Krise neben der laufen¬ den Krise, statt Sicherheit brachte es erhöhte Unsicherheit. Man kann in diesem System nicht behalten, was man hat, ohne das System zu verändern.«1 Der Fluchtweg aus dem Dilemma, der vielen als nächst¬ liegender erscheint, nämlich zurück zum alten Wirtschafts¬ wachstum, scheint jedoch kaum eine gangbare Alternative zu sein. Die Konjunkturentwicklung der führenden west¬ lichen Industriestaaten hat seit 1970 einen Verlauf genom¬ men, der die Erreichung hoher Wachstumsraten mittel¬ fristig eher unwahrscheinlich erscheinen läßt. Dies soll in den beiden folgenden Abschnitten näher ausgeführt und anschließend mögliche Konsequenzen für Österreich disku¬ tiert werden. Der letzte Abschnitt bringt Überlegungen dazu, wie eine die »Grenzen des Wachstums« berücksichti¬ gende Politik des »qualifizierten Wachstums«2 unter der gegenwärtigen Konjunkturperspektive aussehen könnte. II. Auch abgesehen von der langfristigen Wachstumspro¬ blematik ist die gegenwärtige Situation in der Wirtschafts¬ entwicklung der fünfziger und sechziger Jahre ohne Bei¬ spiel. Die Besonderheit der Misere besteht, wie es das bri¬ tische National Institute of Economic Research prägnant formulierte, darin, daß in den entscheidenden Ländern des Westens alle vier Hauptziele der Wirtschaftspolitik — »angemessenes Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung,

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