dazu müssen sie die Folgen ihrer Handlungen abschätzen können. Ohne
diese Annahme wäre die Bevorzugung der Freiwilligkeit wirtschaftli
cher Handlungen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik irrelevant.
In der Wirtschaftstheorie wird dieses Problem u. a. im Zusammen
hang mit meritorischen Gütern behandelt (Musgrave, 1987). Dabei
handelt es sich um Güter, deren Konsum in einem den Konsumenten
nicht voll bewußten Ausmaß gesellschaftlich "wünschenswert" ist.
Häufig gebrachte Beispiele sind Gesundheit und Bildung. Die Indivi
duen sollen mehr davon konsumieren, als sie selbst wählten. Es ist dies
eine Bevormundung von Wirtschaftssubjekten, eine Verletzung der
Konsumentensouveränität.
Für Auseinandersetzungen um Regulierungen von Arbeitsverhältnis
sen spielt dies aus folgenden Gründen eine Rolle: Wenn Beschäftigte
die Gesundheitsrisken von extremen Arbeitsformen - sehr lange
Arbeitszeiten, riskante Arbeitsformen - nicht richtig einschätzen, dann
kann eine Beschränkung der Vertragsfreiheit die "wahren" Interessen
der Arbeitenden begünstigen. Die Bereitschaft zu extremen Arbeiten
kann verursacht sein durch a) mangelnde Information über die wahren
Risken, b) durch "falsche" subjektive Bewertung einer Realisierung des
riskanten Ereignisses und c) durch eine "falsche" Bewertung der
Präferenzen.
a) Mangelnde Informationen können durch öffentliche Informatio
nen bekämpft werden, ohne daß die Vertragsfreiheit eingeschränkt
wird.
b) Das Verhalten gegenüber unsicheren Ereignissen wird in der
Ökonomie mit Hilfe der von-Neumann-Morgenstern Nutzenfunktionen
behandelt. Dabei wird vorausgesetzt, daß jedes Individuum eine sub
jektive Wahrscheinlichkeitsverteilung über alle Ereignisse bildet und
jede Realisierung bewertet. Das Individuum maximiert dann den
erwarteten Nutzen. Es ist dies das wichtigste in der Ökonomie verwen
dete Konzept rationalen Handeins unter Unsicherheit. Empirische
Untersuchungen, etwa über das Verhalten von Rauchern (z. B. Tamerin,
Resnik, 1972), über die Bildung von subjektiven Wahrscheinlichkeiten
(Tversky, Kahneman, 1974) weisen aber darauf hin, daß tatsächliches
Verhalten anders ist. Der Eintritt von sehr unangenehmen Realisierun
gen - etwa von Krebs durch Rauchen - wird systematisch falsch
eingeschätzt.
c) Zukünftige Präferenzen können von gegenwärtigen Präferenzen
für die Zukunft abweichen (Elster, 1987). So kann etwa in der Gegen
wart eine sehr hohe Präferenz für Einkommen gegenüber zukünftiger
Gesundheit vorliegen, die abweicht von den Präferenzen in der
Zukunft: Gesundheit ist dann wichtiger als ein hohes Vermögen.
Bei den unter b) und c) gebrachten Argumenten reichen Informatio
nen über die Gefährlichkeit von Arbeitsverhältnissen nicht aus, das
Fehlverhalten zu korrigieren. Es bedarf dabei regulierender Eingriffe -
des Verbotes bestimmter Arbeiten, des Gebots von Sicherheitsvorkeh
rungen und ähnliches. Die damit verbundenen Beschränkungen der
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