24. Jahrgang ( 1 998), Heft 4 Wirtschaft und Gesellschaft
Modelle, die diesen Mechanismus näher untersuchen, wurden etwa von
Banerjee/Newman (1 991 ) und von Galor/Zeira (1 993) entwickelt. (52) Die
Modelle sind aber zu speziell , als daß sie h ier ausführl ich d iskutiert werden
könnten . Einige typische Elemente und Schlußfolgerungen seien aber
kurz erwähnt.
Die negativen Wachtumsauswirkungen kommen in d iesen Modellen
meist dadurch zustande, daß man abnehmende Grenzerträge der Ausbil
dung annimmt. Diese Annahme besagt beispielsweise, daß es für eine
Ökonomie besser wäre, über eine breite Mittelschicht mit achtjähriger
Schulbildung zu verfügen als über eine analphabetische Unterschicht und
eine an den besten in- und ausländischen Universitäten ausgebildete
Oberschicht (53). Empirische Studien unterstützen diese Annahme. Hall
und Jenes (1 998) etwa nehmen - aufbauend auf Untersuchungen von
Psacharopoulos (1 994) - an, daß die ersten vier Ausbildungsjahre etwa
1 3% Mehrertrag bringen, die nächsten vier 1 0% und darüber hinausge
hende Ausbildung 7%. Verteilt man nun - anschaulich gesprochen - Ein
kommen von oben nach unten , so mag das zwar die Ausbildung der rei
chen Haushalte verringern, erhöht aber zugleich die (ertragsreichere) Aus
bildung der unteren Schichten. l n Summe steigt so das einer Ökonomie
zur Verfügung stehende Humankapital an, und Produktion und Wachstum
werden ansteigen.
Es läßt sich folgerichtig auch zeigen, daß die Gleichgewichte solcher
Humankapitalakkumulationsmodelle mit unvollständigen Kapitalmärkten
ineffizient sind (54) und daß sich Beispiele für bestehende "Armutsfallen"
finden lassen . Armere, vom Kapitalmarkt ausgeschlossene Famil ien kön
nen ihrer Nachkommenschaft keine vernünftige Ausbildung zukommen
lassen, wodurch d iese selber am unteren Rand der Einkommensvertei
lung bleiben werden, ebenso wie deren Kinder, Kindeskinder etc. Unglei
che Vertei lungen vererben sich so und haben - bleiben Umvertei lungs
maßnahmen aus - einen Hang zur Persistenz. Ob dieser Fall tatsächl ich
eintritt oder ob es vielmehr zu Konvergenzverhalten kommt, hängt in den
Modellen allerd ings vom Ausmaß der anfänglichen Ungleichheit und von
verschiedenen anderen Parametern ab (etwa von den Ausbildungskosten
und deren Entwicklung über die Zeit). Man hat es somit häufig mit "multi
plen Gleichgewichten" zu tun , und geschichtl iche Zufäll igkeiten können
festlegen , in welchem Zustand (Armutsfalle oder Konvergenz) eine Öko
nomie endet. (55)
Wie auch bei den vorangegangenen Erklärungsansätzen kann man von
empirischen Studien keine eindeutige Evidenz erwarten . Allerd ings gibt es
einige Resultate, die für die Wichtigkeit des Ansatzes unvol lkommener
Kapitalmärkte sprechen. Weiter oben wurde bereits die hohe Korrelation
zwischen Ungleichheitsmaßen und Besuchsraten weiterbildender Schu
len erwähnt. Diese wiederum besitzen in fast allen einschlägigen Studien
eine hohe (positive) Erklärungskraft für langfristige Wachstumsraten (56).
Der direkte, von d iesem Ansatz vorgeschlagene Wirkungskanal - vorlie
gende Kapitalmarktimperfektionen - ist al lerd ings nur schwer zu testen .
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