30. Jahrgang (2004), Heft 3 Wirtschaft und Gesellschaft
Editorial
Inflation! Welche Inflation?
"Conventional wisdom once held that money doesn't matter",
so eröffnete 1 995 der Tagungsband der Federal Reserve Bank
von St. Louis über Wirkungskanäle der Geldpolitik. Da im All
gemeinen davon ausgegangen werden kann , dass die Pol itik
mit einer Verzögerung von fünf bis zehn Jahren auf die Theo
rie reagiert, konnte d iese Erkenntnis schon zu besagtem Zeit
punkt als sehr gut abgesichert gelten. Vor al lem die Untersu
chungen über den Zins- und Kreditkanal d ies- und jenseits des
Atlantik waren es, die zum besseren Verständnis über die Wir
kungsweise der Geldpolitik und der Wirkung auf reale Variab
len - zumindest in der kurzen bis mittleren Frist - beigetragen
haben. Dessen ungeachtet konstruierten die EUropäer in Maast
richt und danach mit dem Europäischen System der Zentral
banken eine Institution, deren Statuten sich gegen derartige Er
kenntnisgewinne weitgehend immunisierte. Stabil ität wird in den
EUropäischen Verträgen - so weit es die Geldpolitik betrifft
weiterhin eisern als Preisstabil ität definiert, obwohl längst klar
geworden ist, dass Geldpolitik reale Effekte hat und sie somit
auch die Verantwortung hat, mit ihren Instrumenten makroöko
nomisch stabil isierend auf die Wirtschaft einzuwirken.
E in ige der Ansätze der Europäischen Zentra lbank (EZB)
selbst, d ie sich i n der Revision der geldpol itischen Strategie
2003 wieder finden, wiesen zwar in diese Richtung, blieben aber
zum Teil zu halbherzig, und es ist noch nicht absehbar, dass die
Revision, so behutsam und zaghaft sie sich auch dieser Selbst
prüfung unterzogen hat, zumindest in dem bescheidenen Rah
men des Möglichen auch in der geldpolitischen Praxis Früchte
trägt. Als positiv zu vermerken ist zunächst, dass zumindest in
der Kommunikation die zweite Säule (ökonomische Analyse mit
einer breit fundierten Beurteilung der Aussichten für die künfti
ge Preisentwicklung) etwas an Gewicht gegenüber der ersten
Säule (Geldmengenentwicklung) gewonnen hat. E lemente die
ser zweiten Säule l ießen nämlich durchaus bei gutem Wil len
die Möglichkeit der makroökonomischen Stabi lisierung zu.
Die gleichzeitige Relativierung und Verfestigung des quanti
tativen Inflationsziels von zwei Prozent muss aber als misslun-
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