31. Jahrgang (2005), Heft 2 Wirtschaft und Gesellschaft
der moderierungsorientierten Koordinierung genügen. Wird die N ivel lie
rung der Löhne auf hohem Niveau angepeilt, sind negative Effekte in Be
zug auf I nflation und Arbeitslosigkeit n icht auszuschließen.6 Ebenso we
nig wie aus der moderierungsorientierten Koordinierung folgt aus der ver
tei lungsorientierten Koordinierung in jedem Fal l die Vereinbarung eines
einheitl ichen Lohnerhöhungssatzes. Geht man davon aus, dass die Ni
vell ierungsabsichten auf das Lohniveau abzielen , sind bei einer gegebe
nen Lohnstruktur, die dem maßgebenden Gleichheitsprinzip widerspricht,
in den N iedriglohnsektoren höhere Lohnzuwächse zu fixieren als in den
Hoch loh nbereichen.
Zum Verständnis der lohnpolitischen Koordinierung ist es geboten, nicht
nur deren Ziele, sondern auch die Mechanismen ihrer Imp lementierung
zu betrachten .7 Lange Zeit wurde davon ausgegangen , dass makroöko
nomisch koordin ierte Lohnpolitiken d ie Zentral isierung der Tarifabschlüs
se auf gesamtwirtschaftlichem Niveau (also idealiter den Abschluss eines
einzigen Tarifvertrags für alle Arbeitnehmergruppen und Sektoren durch
die Dachverbände der Tarifparteien) unabdingbar voraussetzen .8 l n der
neueren Literatur wird jedoch darauf h ingewiesen, dass auch dezentrale
Koordin ierungsmechan ismen analytisch denkbar und empirisch beob
achtbar sind.9 Ausgehend von jenen Akteuren der Tarifpolitik, die jeweils
den Koord in ierungsprozess tragen , lassen sich zwei Hauptformen de
zentraler Koordinierung unterscheiden:
• Die Dachverbände bleiben für den Koordinierungsprozess verantwort
l ich, jedoch werden die Tarifverträge selbst von deren nachgeordneten
Mitg l iedern verhandelt und abgeschlossen. Im Hinblick auf die forma
le Ebene des Tarifabschlusses handelt es sich insofern um ein dezent
rales Arrangement, in dem die Dachverbände - mehr oder weniger ex
pl izit - durch die Vorgabe von Richtl in ien an ihre nachgelagerten Ver
handlungseinheilen den Lohnbildungsprozess insgesamt koordinieren.
Für das Zustandekommen dieses dezentralen Arrangements reicht es
grundsätzl ich aus, wenn der Dachverband einer der beiden Arbeits
marktparteien in der Lage ist, die tarifpolitischen Strategien seiner Mit
gl ieder zu koordinieren. 10 Wie aber die Praxis zeigt, führen interne Ko
ord in ierungsbemühungen des Dachverbandes der einen Arbeits
marktpartei zu analogen Bemühungen ihres Widerparts. Dies ergibt
sich aus dem strategischen Gebot, mindestens ebenso viele Segmen
te des Arbeitsmarktes zu kontrol l ieren wie die Gegenseite, wenn man
vermeiden wil l , dass diese die Gelegenheit erhält, verschiedene Grup
pen der eigenen Seite gegeneinander auszuspielen.
• Die Koordinierungsimpulse gehen von tarifpolitischen Schlüsselakteu
ren unterhalb der Dachverbandsebene aus, deren Tarifabschlüsse ei
ne Vorbild- bzw. Orientierungsfunktion für die anderen Tarifabschlüsse
erfül len. Da die Schlüsselakteure somit das Muster ("Pattern") für die
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