37. Jahrgang (2011), Heft 1 Wirtschaft und Gesellschaft
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Arbeitsbedingungen und Wirtschaftskrise
Herbert Walther
1. Einleitung
In vielen wirtschaftspolitischen Debatten rund um die Probleme des Ar-
beitsmarktes, aber auch in gewerkschaftlichen Tarifverhandlungen, ste-
hen Fragen der pekuniären Entlohnung meist im Zentrum der öffentlichen
Aufmerksamkeit. So bedeutsam diese Aspekte eines Arbeitsvertrages
aus der Sicht von Betroffenen sind, ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass
wohlfahrtsrelevante Arbeitsbedingungen ein wesentlich breiteres Spek-
trum an Dimensionen des Arbeitsvertrages umfassen. Eine allzu einseitige
Fokussierung auf Fragen der monetären Entlohnung läuft Gefahr, wichtige
nicht-monetäre Aspekte der Arbeitsbeziehung in den Hintergrund zu drän-
gen und eventuell auftretende komplexe Trade-offs zwischen monetären
und nicht-monetären Faktoren in der Bestimmung von Arbeits- und Le-
benszufriedenheit von ArbeitsnehmerInnen zu ignorieren.
Die nicht-monetären Bedingungen der Ausgestaltung von Arbeitsbezie-
hungen umfassen ein komplexes System von formellen und informellen
Regeln, aufgrund derer die Erwartungen, Ansprüche und Verpflichtungen
der Arbeitsvertragspartner hinsichtlich wohlfahrtsrelevanter Dimensionen
der Leistungserbringung determiniert werden: der Grad der Arbeitsplatz-
sicherheit im Krisenfall, der Schutz am Arbeitsplatz vor ungesunden Ar-
beitsbedingungen, der relative Grad der Arbeitsautonomie, die vorgegebe-
ne Arbeitsintensität in Einzel-, Projekt- und Teamarbeit, die Ausgestaltung
der chronologischen und chronometrischen Arbeitszeitregulierung, die
Zuweisung von Direktionsrechten in Bezug auf zeitliche und örtliche Fle-
xibilität (Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit Kinderbetreuungspflichten,
Versetzungsschutz etc.), nicht-diskriminierende Aufstiegs- und Beförde-
rungschancen, die Zuweisung von Qualifizierungschancen, individuelle
und kollektive Mitbestimmungsrechte, das allgemeine „Betriebsklima“, die
Art des zwischenmenschlichen Umgangs in persönlichen Konflikt- und
Krisensituationen (z. B. bei Krankheit von Mitarbeitern). Die Arbeits- und
Lebenszufriedenheit von arbeitenden Menschen hängt vom Zusammen-
spiel all dieser Bedingungen ab. Insbesondere aber auch davon, ob und
inwieweit die davon ausgelösten Verteilungseffekte mehrheitlich als „fair“
oder als „unfair“ empfunden werden (ein Aspekt, dem sich die effizienzfi-
xierten Ökonomen äußerst ungern widmen.)