Das Dollfuß/Schuschnigg-
Regime: eine Forschungsbilanz
Rezension von: Florian Wenninger,
Lucile Dreidemy (Hrsg.), Das
Dollfuß/Schuschnigg-Regime 1933-1938.
Vermessung eines Forschungsfeldes,
Böhlau Verlag, Wien 2013, 638 Seiten,
gebunden, D 39. ISBN 978-3-205-78770-9.
Dass das Herrschaftssystem 1933-
1938 in den letzten Jahren verstärkt in
den Blickpunkt gerückt ist, ist nicht nur
an den Auseinandersetzungen um die
Rehabilitierung der Opfer des Austro-
faschismus und dem diesbezüglichen
Gesetz ablesbar. Der Kenntnisstand
über diese politisch wie wissenschaft-
lich umstrittene Phase der österreichi-
schen Geschichte im 20. Jahrhundert
wurde durch rezente Diplomarbeiten,
Dissertationen und Habilitationen so-
wie einschlägige Publikationen wie
dem gegenständlichen Sammelband
erweitert.
Dessen Kernanliegen ist es, ange-
sichts der dazu mittlerweile vorliegen-
den Fülle unveröffentlichter und publi-
zierter Arbeiten eine Bilanz zu ziehen.
Zugleich ist damit ein dreifaches Anlie-
gen verbunden: die thematische Bün-
delung bisheriger Arbeiten, die kriti-
sche Diskussion vorliegender For-
schungsergebnisse und im Zusam-
menhang damit die Formulierung von
Forschungsdesiderata. Ein wichtiger
Punkt für Wenninger und Dreidemy ist,
dass bei Darstellung des Forschungs-
standes auch unpublizierte Hochschul-
schriften (Diplomarbeiten, Dissertatio-
nen) Berücksichtigung finden.
Bilanz wird zu sieben Themenfeldern
gezogen: Das erste Kapitel (Parteien-
geschichte) beinhaltet Beiträge über
damalige politische Akteure (Sozialde-
mokratie, KPÖ, Legitimismus, Land-
bund und Großdeutsche sowie die ös-
terreichische NSDAP). Das Katholi-
sche Milieu wird mit Aspekten wie
christlichsoziales Lager, politischer Ka-
tholizismus und konservative Eliten
thematisiert. Der Wirtschafts- und In-
teressenpolitik sind im dritten Kapitel
Artikel über die Wirtschaftspolitik, die
Arbeiterschaft, die Handelskammern,
Wirtschaftstreibende und wirtschaftli-
che Interessenverbände sowie über
die Agrargeschichte gewidmet. Mit der
Thematik Politik und Gesellschaft (4.
Kapitel) befassen sich die Beiträge
über Geschlecht und Politik, Erzie-
hung/Bildung und Jugend.
Das inhaltliche Spektrum des fünften
Kapitels (Rechts- und Verfassungsge-
schichte) reicht von der Geschichte
Österreichs in den Jahren 1933-1938,
von einem Beitrag zu Staatsangehörig-
keit, polizeilicher Oppositionsbekämp-
fung und Justiz bis hin zur Thematisie-
rung eines für die Herrschaftspraxis im
Austrofaschismus wichtigen Gesetzes,
des Kriegswirtschaftlichen Ermächti-
gungsgesetzes, und der Wiener Regio-
nalebene.
Dem Thema der organisierten Ge-
walt geht das sechste Kapitel nach: mit
einer eingehenden und differenzierten
Darstellung der Heimwehren und an-
derer Wehrverbände, des Bundeshee-
res, der Exekutive und des Schutzbun-
des. Das letzte Kapitel befasst sich mit
Beiträgen über die Außenpolitik des
Austrofaschismus sowie über die ös-
terreichisch-italienischen Beziehun-
gen.
Die Fülle der Beiträge erlaubt es
nicht, auf alle im Einzelnen einzuge-
hen.
Das eingangs angesprochene Kern-
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39. Jahrgang (2013), Heft 3 Wirtschaft und Gesellschaft