Das System Bahn in Österreich
Verkehr und Infrastruktur 55
nicht auf Wettbewerb ausgelegt ist. Ein ähnliches Bild vermittelt der liberalisierte Güterverkehr: Auch
hier entwickeln sich die Bahnen unabhängig vom Liberalisierungsgrad. Die beste Performance hatte
die Güterverkehrstochter der ÖBB zu der Zeit, als von Liberalisierung noch keine Rede war.
Österreich ist ein sehr gutes Beispiel, dass ein dominierendes integriertes Unternehmen und
Direktvergabe durch die Gebietskörperschaften nicht gleichbedeutend mit Ineffizienz und
Diskriminierung sind. Österreich hat einen der höchsten Modal Split im SPV (elf Prozent) in der EU
und belegt im Liberalisierungsindex des SPV den sechsten Rang.
Das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie hat das Ziel, mit
der Fertigstellung der Infrastrukturkorridore 2025 den Modal Split des Güterverkehrs von heute 33
Prozent auf 40 Prozent und die Zahl der Bahnfahrgäste von heute 240 Mio. auf 300 Mio. zu
steigern. Übers Jahr gerechnet würden dann 9.000 tägliche Züge (heute 7.000) auf 200 Mio.
Zugkilometer kommen (heute 150 Mio. Kilometer)29. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, muss
wie auch das abschließend kurz dargestellte Beispiel Schweiz zeigt, der bisherige Weg eines
integrierten Bahnsektors fortbestehen.
Das Beispiel Schweiz
Das Schweizer Modell ist aufgrund optimaler Abstimmung zwischen Infrastrukturmaßnahmen,
Betriebsmaßnahmen, staatlicher Förderungen sowie einem ganzheitlichen Verkehrskonzept,
welches sich in einem Taktfahrplan manifestiert, seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Der Modal Split
Anteil der Schweizerischen Bundesbahnen ist europaweit der höchste (16,93 Prozent) und die SBB
sind (laut eigenen Angaben) die pünktlichste Bahn Europas.
Der öffentliche Schienenverkehr wird in der Schweiz in erster Linie durch regionale, vertikal
integrierte Unternehmen erbracht, wobei Nah- und Fernverkehr getrennt voneinander behandelt
werden. Während für den Fernverkehr die zu 100 Prozent im Bundeseigentum stehenden SBB
weitgehend eigenwirtschaftlich verantwortlich sind, sind für die Regionalverkehre vorwiegend die
Kantone selbst zuständig. Neben der Verhandlung und Bestellung von öffentlichen
Verkehrsleistungen sind die Kantone auch bei der Finanzierung eingebunden. Insgesamt wird der
öffentliche Verkehr in der Schweiz zu rund 49 Prozent durch öffentliche Mittel finanziert (Kummer et
al 2013, S.124).
Der Fahrplan der SBB stellt die Grundlage für den gesamten regionalen Verkehr dar. Die
systemweite Vertaktung des Angebotes wird in bundesweiten Fahrplankonferenzen abgestimmt.
Weiters wird ein schweizweites einheitliches Tarifsystem angewendet. Sowohl die Tarifintegration
als auch die Koordinierung des Taktverkehrs sind per Gesetz festgeschrieben.
Österreich: Gemeinsame Strategie
Auch in Österreich wurden mit dem beschlossenen Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (Zielnetz
2025), den Verkehrsdienstverträgen von 2011 und mit der LandesverkehrsreferentInnentagung im
März 2012 zum Thema "ÖV-Angebote für Österreich; Gemeinsame Strategie Bund/Länder" die
ersten wichtigen Schritte Richtung Taktfahrplan gesetzt.
Eine moderne Eisenbahninfrastruktur ist das Fundament für die Einführung eines komfortablen und
effizienten Taktfahrplans (da keine Zeit beim Umsteigen verloren geht).
29 http://www.bmvit.gv.at/presse/aktuell/nvm/2012/1010OTS0158.html, 27.5.2013