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Bindungen, und nicht wegen des Zufalls der Geburt, könne legitimerweise ein Anspruch auf
Teilhabe an den Ressourcen einer Gesellschaft erhoben werden (Shachar 2010).
Konträr zu der Betonung der Bedeutung der Staatsbürgerschaft für den Zugang zum
Aufenthaltsrecht und zu gesellschaftlicher Teilhabe steht beispielhaft das Buch des US-
Politologen Thomas Spiro „Beyond Citizenship – American Identity After Globalisation“
(2008), in dem er einen weitgehenden Bedeutungsverlust des Staatsbürgerschaftsstatus in
den USA (sowie in Europa) konstatiert, was sich in einem Rückgang der Einbürgerungen
niederschlage. Durch die Akzeptanz der Mehrfachstaatsangehörigkeit und die Öffnung des
Zugangs zu dem (nur residual vorhandenen) Wohlfahrtsleistungen für legal ansässige
EinwanderInnen, aber auch teilweise für EinwanderInnen ohne legalen Status, habe, so
argumentiert Spiro, die US - Staatsbürgerschaft ihren intrinsischen Wert verloren. Außer der
Verpflichtung zur Laiengerichtsbarkeit und dem Wahlrecht unterscheide sich die
Staatsbürgerschaft nicht von einer Green Card, die ebenso ein sicheres Aufenthalts- und
Wiedereinreiserecht beinhalte. Die Green Card, und nicht die Staatsbürgerschaft, sei der
Schlüssel zum Aufenthaltsrecht und damit der entscheidende Status: “The real prize is legal
residency, not citizenship. It is all about the green card, not the naturalisation certificate.”
(Spiro 2008, 159). Für Spiro erscheint die amerikanische Staatsbürgerschaft inzwischen als
ein „status almost begging for customers“ (Spiro 2008, 91). Die Frage der Einbürgerung
stelle sich nur mehr für eine schmale Elite der EinwanderInnen, für deren Mehrheit sei die
Frage des Aufenthaltsrechts das entscheidende Thema, der Zugang zur Green Card also
relevanter.
Eine ähnliche Argumentation in Bezug auf Europa wurde kürzlich von Christian Joppke
(2010a, 2010b) entwickelt. Auch in Europa, so Joppke, habe die Staatsbürgerschaft an
rechtlicher Bedeutung verloren. Der Status der Unionsbürgerschaft und mehrere EuGH-
Urteile, die die Rechte der UnionsbürgerInnen ausweiteten, sowie die Einführung des Status
des langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen für EinwanderInnen von
außerhalb der EU habe zu einer Öffnung vormaliger Staatsbürgerprivilegien für
UnionsbürgerInnen und Drittstaatsangehörige geführt. Dieser Prozess eines ”inevitable
lightening of citizenship in the West“ – habe eine Art Citizenship Light zur Norm werden
lassen und die Bedeutung der Staatsbürgerschaft für die Inklusion in einer Gesellschaft
reduziert.
Staatsbürgerschaft, so Joppke weiter, sei heute ein Rechtsstatus, der sich im jeweiligen
Land nur durch das Recht auf politische Teilhabe und den Zugang zum Beamtenstatus von
der Rechtsstellung legaler MigrantInnen unterscheide. Insbesondere die weltweit zu
beobachtende Auflösung der Verbindung von Staatsbürgerschaft und Militärdienst zeige den
Bedeutungsverlust der Staatsbürgerschaft auch für den Staat selbst: Moderne Armeen seien
professionalisiert und würden den Staatsbürger-Soldaten nicht mehr benötigen, damit fiele
der Kern des Loyalitätsanspruches des Staates gegenüber seinen Bürgern in sich
zusammen und es gäbe keine spezifischen StaatsbürgerInnenpflichten mehr. Mit dem
weltweit zu beobachtenden Rückbau des Wohlfahrtsstaates würden zudem die ehemaligen
Privilegien der Staatsbürgerschaft – der privilegierte Zugang zu sozialen Rechten und zum
Arbeitsmarkt - ausgedünnt und die Verantwortung für soziale Inklusion privatisiert, wodurch
der Unterschied zwischen StaatsbürgerInnen und AusländerInnen weiter an Bedeutung
verliere. Die im letzten Jahrzehnt europaweit zu beobachtenden Versuche der symbolischen
Aufladung der Staatsbürgerschaft durch Einbürgerungstests, Einbürgerungseide und
Einbürgerungsfeiern seien “ultamitely futile, rearguarded actions against the inevitable
lightening of citizenship in the West” (…) „aimed at pacifying ill-disposed natives” (Joppke
2010b, 39).