Karenz anstelle Elternteilzeit – kein endgültiger Untergang des Anspruchs auf Elternteilzeit ? K. BURGER-EHRNHOFER
DRdA ? 5/2017 ? Oktober390
Ersatzkarenz zu gehen. Auch für diese Variante ist
wieder vorausgesetzt, dass die Maximaldauer für
die Karenz noch nicht abgelaufen ist.
Durch die Möglichkeit nach Z 1 leg cit soll
die DN somit in die Lage versetzt werden, eine
gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Ihr
wird die Bürde abgenommen, auf der beantragten
Teilzeitbeschäftigung zu beharren. Dies geschieht
durch die Bekanntgabe, dass sie „an Stelle“ der
verlangten Teilzeitbeschäftigung (Ersatz-)Karenz
in Anspruch nimmt. Die Wendung „an Stelle“
bringt nur die zeitliche Komponente in Bezug
auf den Erklärungszeitpunkt zum Ausdruck. Die
DN erklärt damit, aufgrund der Nichteinigung
nunmehr in Ersatzkarenz zu gehen. Sie wechselt
also derzeit (an Stelle eines Gerichtsstreits) in die
Karenz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies
gleichbedeutend mit der Erklärung, den Antrag
auf Teilzeitbeschäftigung angesichts des erforderli-
chen Rechtsstreits zurückzunehmen. Eine da rüber
hi naus gehende Wirkung ist nach dem Gesetz damit
nicht verbunden. Dies bedeutet, dass der DN alle
Ansprüche und Rechte, die ihr nach anderen
Bestimmungen des MSchG zur Verfügung stehen,
auch weiterhin gewahrt bleiben.
4.4 Mit dieser Lösung steht der Grundsatz im Ein-
klang, dass für die DN so lange die Möglichkeit
besteht, eine Karenz zu beantragen, so lange das
Kind das zweite Lebensjahr nicht vollendet hat
(Schrittwieser aaO 455). Bei einem Wechsel in die
Ersatzkarenz nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG handelt
es sich gerade nicht um eine Verlängerung der
Karenz nach § 15 MSchG. Ebenso entspricht die
dargestellte Lösung dem Grundsatz, dass es auf die
Dauer der Teilzeitbeschäftigung keinen Einfluss
hat, ob oder wie lange eine Karenz konsumiert
wurde.
4.5 Soweit die Bekl in der Revision auf das System
des MSchG sowie die Dreimonatsfristen in § 15
Abs 3 MSchG (Bekanntgabe der Verlängerung der
Karenz) und § 15j MSchG (Bekanntgabe von Antritt
und Änderung der Teilzeitbeschäftigung) hinweist,
betrachtet sie nur die Regelungen zur Karenz
einerseits und zur Teilzeitbeschäftigung anderer-
seits, lässt aber die Sonderbestimmungen in § 15m
MSchG über den Wechsel in die (Ersatz-)Karenz
bei Nichteinigung über das Verlangen auf Teilzeit-
beschäftigung außer Acht. Auf die Meldefris ten der
§§ 15 und 15j MSchG kann die Bekl gerade nicht
referieren, weil § 15m Abs 1 MSchG eine eigene
Frist für die Bekanntgabe des Wechsels in die
Ersatzkarenz vorsieht.
Mit § 15m Abs 1 Z 1 leg cit stellte der Gesetzgeber
klar, dass ein Wechsel in die Ersatzkarenz auch
ohne gerichtliches Verfahren (hier nach § 15k
MSchG) möglich ist. Entgegen der Ansicht der Bekl
hätte die Z 1 vor diesem Hintergrund nicht entfal-
len können. Nicht richtig ist auch, dass die DN bei
Nichteinigung über die Teilzeitbeschäftigung (hier
über die Bedingungen) ein Wahlrecht zwischen der
Z 1 und der Z 2 hätte. Das Wahlrecht besteht viel-
mehr darin, entweder gleich in die Ersatzkarenz zu
wechseln (Z 1) oder auf dem Verlangen auf Teil-
zeitbeschäftigung (hier auf den Bedingungen) zu
beharren und den Prozess abzuwarten. Nicht stich-
haltig ist schließlich auch der Hinweis der Bekl
darauf, dass das Recht auf Teilzeitbeschäftigung
nur ein Mal in Anspruch genommen werden kann.
Eine Teilzeitbeschäftigung „in Anspruch nehmen“
bedeutet, diese anzutreten. Erfolgt nach der Z 1 leg
cit ein Wechsel in die Ersatzkarenz, so wurde zwar
ursprünglich eine Teilzeitbeschäftigung beantragt,
diese aber nicht in Anspruch genommen.
5. Insgesamt ergibt sich somit, dass die Kl berech-
tigt ist, auch nach Bekanntgabe der Inanspruch-
nahme der Ersatzkarenz iSd § 15m Abs 1 Z 1
MSchG ein Verlangen auf Elternteilzeit zu stellen,
sofern die anderen Voraussetzungen gegeben sind,
sie also noch keine Elternteilzeit in Anspruch
genommen (angetreten) hat und die Maximaldauer
der Teilzeitbeschäftigung noch nicht abgelaufen
ist. [...]
ANMERKUNG
Nach der Geburt eines Kindes können AN, die für
die ersten Jahre der Kinderbetreuung ihre Arbeits-
leistung einschränken möchten, zwischen zwei
grundsätzlichen Modellen wählen. Sie können ihre
Arbeitsleistung zur Gänze ruhend stellen und eine
Karenz in Anspruch nehmen (vgl aber die auch
während einer Karenz mögliche sehr beschränk-
te Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 15e
MSchG bzw § 7b VKG) oder ihre Arbeitsleistung
bloß reduzieren bzw zeitlich verlagern, indem sie
sich für eine Elternteilzeit oder eine Änderung der
Lage der Arbeitszeit entscheiden. Alle diese Mög-
lichkeiten sind für Mütter im MSchG und für Väter
im VKG geregelt.
1. Anspruch auf Karenz
AN können für die Betreuung eines Kindes bis
längstens zu dessen vollendetem zweiten Lebens-
jahr eine Elternkarenz nach den §§ 15 ff MSchG
bzw §§ 2 ff VKG in Anspruch nehmen, wenn sie
mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt leben
und ihre Karenz rechtzeitig melden (vgl dazu § 15
Abs 3 MSchG bzw § 2 Abs 5 VKG). Sind diese
Voraussetzungen erfüllt, bedarf es keiner weiteren
Vereinbarung mit dem/der AG, es besteht also ein
einseitig geltend zu machender Rechtsanspruch
auf Elternkarenz. Während der Inanspruchnahme
einer Elternkarenz besteht (ebenso wie bei Inan-
spruchnahme einer Elternteilzeit; siehe unter 2.)
ein strenger Bestandschutz, der frühestens vier
Wochen nach dem Ende der Karenz (Elternteilzeit)
und spätestens vier Wochen nach dem vollendeten
zweiten (bei Elternteilzeit vierten) Lebensjahr des
Kindes endet.
2. Anspruch auf Elternteilzeit
AN haben nach § 15h MSchG bzw § 8 VKG
grundsätzlich nur dann einen einseitig geltend zu
machenden Rechtsanspruch auf Elternteilzeit, wenn
sie in einem Betrieb mit mindestens 21 AN seit
mindestens drei Jahren ununterbrochen beschäf-
tigt sind und ihre wöchentliche Normalarbeitszeit