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Full text: Das Recht der Arbeit - Heft 372 (372)

Karenz anstelle Elternteilzeit – kein endgültiger Untergang des Anspruchs auf Elternteilzeit ? K. BURGER-EHRNHOFER DRdA ? 5/2017 ? Oktober392 lange offen, als das Kind sein zweites Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass es beim großen Anspruch grundsätzlich an der AG-Seite liegt, bei gescheiterten Verhandlungen über die Ausgestaltung der Elternteilzeit aktiv zu werden, dass es aber auch für die AN-Seite Mög- lichkeiten gibt, die durch die Situation rund um die begehrte Elternteilzeit uU aufgeheizte Situa- tion zumindest vorübergehend (siehe dazu unter Pkt 5) abzukühlen. Die Inanspruchnahme einer Karenz anstelle der zu diesem Zeitpunkt begehr- ten Teilzeitbeschäftigung kann nämlich nach der mE richtigen Rechtsauffassung des OGH bei jeder im Verfahren nach § 15m Abs 1 und 2 MSchG bzw § 8e Abs 1 und 2 VKG geschilderten Zäsur bekannt gegeben werden. Will sich der/die AN daher kei- nem im Raum stehenden, also uU auch noch gar nicht beantragten gerichtlichen Vergleichsver- such stellen, kann schon binnen einer Woche ab Scheitern des innerbetrieblichen Verfahrens eine entsprechende Erklärung abgegeben wer- den. Dasselbe gilt für den Fall, dass es zwar zu einem gerichtlichen Vergleichsversuch gekommen ist, dieser aber scheitert. Auch hier kann die AN- Seite anstatt eine Klage des/der AG zu provozieren bzw riskieren, eine Erklärung iSd § 15m Abs 1 Z 1 MSchG bzw § 8e Abs 1 Z 1 VKG abgeben. Immerhin ist zu bedenken, dass sich der/die AN in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zu dem/der AG befindet und eine gerichtliche Auseinandersetzung in Anbetracht des dann uU schwer zerrütteten wei- terbestehenden Arbeitsverhältnisses scheut. Im gegenständlichen Sachverhalt hat die betroffe- ne AN drei Tage nach dem Scheitern der innerbe- trieblichen Verhandlungen über ihren Elternteil- zeitvorschlag, bei dem auch von der AG-Seite klar artikuliert wurde, dass bei einem Beharren auf dem Elternteilzeitvorschlag Klage nach § 15k Abs 2 (= Antragstellung auf gerichtlichen Vergleichsver- such) und später auch nach Abs 3 MSchG (= Klage bei gescheitertem gerichtlichen Vergleichsversuch) erhoben werden wird, bekannt gegeben, dass sie ihre ursprünglich nur bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes bekannt gegebene Karenz bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kin- des verlängert. Darin sah der OGH zurecht keine Ausübung einer einmaligen Verlängerungsoption nach § 15 Abs 3 MSchG, sondern interpretierte dies vielmehr als Geltendmachung des in § 15m Abs 1 Z 1 MSchG genannten Anspruchs auf ersatzweise Karenz aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geschei- terten Elternteilzeitverhandlungen. 5. Rechtsfolge einer Karenz anstelle der Elternteilzeit Welche Auswirkungen hat aber jetzt die Inan- spruchnahme einer Karenz nach § 15m Abs 1 MSchG bzw § 8e Abs 1 VKG anstelle der begehrten Elternteilzeit? Vom Wortlaut der genannten Bestim- mungen durchaus gedeckt ist die im gegenständli- chen Fall von der AG-Seite vertretene Ansicht, dass die ersatzweise in Anspruch genommene Karenz den Anspruch auf eine Elternteilzeit für dieses Kind endgültig verdrängt. Eine derartige Auslegung hätte bis zu Änderungen des MSchG bzw VKG durch BGBl I 2004/64 auch dem grundsätzlichen telos der Bestimmungen rund um das Verhältnis Karenz und Elternteilzeit entsprochen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit stark davon abhängig, ob und in wel- cher Form bereits Karenz für dieses Kind verbraucht wurde, stand doch – vereinfacht gesagt – entweder längstens bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes Karenz oder längstens bis zum vierten Lebensjahr des Kindes Elternteilzeit für dieses Kind zu. Die Inanspruchnahme beider Maßnahmen für die Betreuung desselben Kindes war nur möglich, wenn die Karenz entsprechend verkürzt wurde, galt doch die Rechnung: ein Monat Karenz entspricht zwei Monaten Elternteilzeit. Diese Koppelung von Karenz und Elternteilzeit ist durch BGBl I 2004/64 allerdings gefallen (vgl ErläutRV 399 BlgNR 22. GP 6). Seitdem besteht die Möglichkeit, Elternteil- zeit für ein Kind zu beanspruchen, grundsätzlich unabhängig davon, ob und für wie lange für die- ses Kind bereits Karenz in Anspruch genommen wurde. Unzulässig ist bloß die gleichzeitige Inan- spruchnahme von Karenz und Elternteilzeit durch denselben Elternteil bzw sind die Maximalzeiträu- me, in denen Karenz und Elternteilzeit verbraucht werden können, gesetzlich vorgegeben. Einem/ einer AN steht es also nunmehr (bei Erfüllung aller dafür erforderlichen Voraussetzungen; siehe dazu die Pkte 1 und 2) offen, selbst nach Ausschöpfen des maximalen Karenzanspruchs für ein und das- selbe Kind Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen. Dieses grundsätzlich, vom Gesetzgeber in den entsprechenden Bestimmungen des MSchG und VKG klar zum Ausdruck gebrachte Entkoppeln von Karenz und Elternteilzeit muss aber für alle denk- baren und zulässigen Kombinationen von Karenz und Elternteilzeit gelten. Dafür sprechen auch die einschlägigen verfassungs- und europarechtlichen Bestimmungen in Art 2 StGG, Art 7 B-VG und der RL 2010/18/EU, die einer anderen, dann wohl unsachlichen und gleichheitswidrigen Gesetzesaus- legung entgegenstehen würden (vgl Bach, Ersatz- karenz nach § 15 Abs 1 Z 1 MSchG ist kein Verzicht auf den Elternteilzeitanspruch, ARD 6537/4/2017). In der Praxis ist es daher unerheblich, ob bereits zu Beginn der Karenz bekannt gegeben wird, dass sie für den längstmöglichen Zeitraum verbraucht werden soll, oder ob eine ursprünglich kürzere Karenz im Rahmen des § 15 Abs 3 Satz 2 MSchG bzw § 2 Abs 5 Satz 2 VKG einseitig verlängert wird oder aber, ob zur Vermeidung einer momentan nicht gewollten gerichtlichen Auseinandersetzung Karenz anstelle eines bereits geäußerten Teilzeitbe- gehrens gem § 15m Abs 1 MSchG bzw § 8e Abs 1 VKG in Anspruch genommen wird. Die in den letztgenannten Bestimmungen verwendete Wortfol- ge „an Stelle der Teilzeitbeschäftigung“ kann daher ganz iSd OGH nur zeitlich verstanden werden. Gemeint ist damit also, dass statt des derzeitigen Teilzeitbegehrens Karenz in Anspruch genommen werden soll. Da diese Möglichkeit auch mit dem Lebensalter des Kindes begrenzt ist, endet auch diese Ersatzkarenz spätestens mit der Vollendung
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