Karenz anstelle Elternteilzeit – kein endgültiger Untergang des Anspruchs auf Elternteilzeit ? K. BURGER-EHRNHOFER
DRdA ? 5/2017 ? Oktober392
lange offen, als das Kind sein zweites Lebensjahr
noch nicht vollendet hat.
Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass
es beim großen Anspruch grundsätzlich an der
AG-Seite liegt, bei gescheiterten Verhandlungen
über die Ausgestaltung der Elternteilzeit aktiv zu
werden, dass es aber auch für die AN-Seite Mög-
lichkeiten gibt, die durch die Situation rund um
die begehrte Elternteilzeit uU aufgeheizte Situa-
tion zumindest vorübergehend (siehe dazu unter
Pkt 5) abzukühlen. Die Inanspruchnahme einer
Karenz anstelle der zu diesem Zeitpunkt begehr-
ten Teilzeitbeschäftigung kann nämlich nach der
mE richtigen Rechtsauffassung des OGH bei jeder
im Verfahren nach § 15m Abs 1 und 2 MSchG bzw
§ 8e Abs 1 und 2 VKG geschilderten Zäsur bekannt
gegeben werden. Will sich der/die AN daher kei-
nem im Raum stehenden, also uU auch noch
gar nicht beantragten gerichtlichen Vergleichsver-
such stellen, kann schon binnen einer Woche
ab Scheitern des innerbetrieblichen Verfahrens
eine entsprechende Erklärung abgegeben wer-
den. Dasselbe gilt für den Fall, dass es zwar zu
einem gerichtlichen Vergleichsversuch gekommen
ist, dieser aber scheitert. Auch hier kann die AN-
Seite anstatt eine Klage des/der AG zu provozieren
bzw riskieren, eine Erklärung iSd § 15m Abs 1
Z 1 MSchG bzw § 8e Abs 1 Z 1 VKG abgeben.
Immerhin ist zu bedenken, dass sich der/die AN in
einem aufrechten Arbeitsverhältnis zu dem/der AG
befindet und eine gerichtliche Auseinandersetzung
in Anbetracht des dann uU schwer zerrütteten wei-
terbestehenden Arbeitsverhältnisses scheut.
Im gegenständlichen Sachverhalt hat die betroffe-
ne AN drei Tage nach dem Scheitern der innerbe-
trieblichen Verhandlungen über ihren Elternteil-
zeitvorschlag, bei dem auch von der AG-Seite klar
artikuliert wurde, dass bei einem Beharren auf
dem Elternteilzeitvorschlag Klage nach § 15k Abs 2
(= Antragstellung auf gerichtlichen Vergleichsver-
such) und später auch nach Abs 3 MSchG (= Klage
bei gescheitertem gerichtlichen Vergleichsversuch)
erhoben werden wird, bekannt gegeben, dass sie
ihre ursprünglich nur bis zum vollendeten ersten
Lebensjahr des Kindes bekannt gegebene Karenz
bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kin-
des verlängert. Darin sah der OGH zurecht keine
Ausübung einer einmaligen Verlängerungsoption
nach § 15 Abs 3 MSchG, sondern interpretierte dies
vielmehr als Geltendmachung des in § 15m Abs 1
Z 1 MSchG genannten Anspruchs auf ersatzweise
Karenz aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geschei-
terten Elternteilzeitverhandlungen.
5. Rechtsfolge einer Karenz anstelle der
Elternteilzeit
Welche Auswirkungen hat aber jetzt die Inan-
spruchnahme einer Karenz nach § 15m Abs 1
MSchG bzw § 8e Abs 1 VKG anstelle der begehrten
Elternteilzeit? Vom Wortlaut der genannten Bestim-
mungen durchaus gedeckt ist die im gegenständli-
chen Fall von der AG-Seite vertretene Ansicht, dass
die ersatzweise in Anspruch genommene Karenz
den Anspruch auf eine Elternteilzeit für dieses Kind
endgültig verdrängt. Eine derartige Auslegung hätte
bis zu Änderungen des MSchG bzw VKG durch
BGBl I 2004/64 auch dem grundsätzlichen telos der
Bestimmungen rund um das Verhältnis Karenz und
Elternteilzeit entsprochen. Bis zu diesem Zeitpunkt
war die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer
Elternteilzeit stark davon abhängig, ob und in wel-
cher Form bereits Karenz für dieses Kind verbraucht
wurde, stand doch – vereinfacht gesagt – entweder
längstens bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr
des Kindes Karenz oder längstens bis zum vierten
Lebensjahr des Kindes Elternteilzeit für dieses Kind
zu. Die Inanspruchnahme beider Maßnahmen für
die Betreuung desselben Kindes war nur möglich,
wenn die Karenz entsprechend verkürzt wurde, galt
doch die Rechnung: ein Monat Karenz entspricht
zwei Monaten Elternteilzeit. Diese Koppelung von
Karenz und Elternteilzeit ist durch BGBl I 2004/64
allerdings gefallen (vgl ErläutRV 399 BlgNR 22. GP
6). Seitdem besteht die Möglichkeit, Elternteil-
zeit für ein Kind zu beanspruchen, grundsätzlich
unabhängig davon, ob und für wie lange für die-
ses Kind bereits Karenz in Anspruch genommen
wurde. Unzulässig ist bloß die gleichzeitige Inan-
spruchnahme von Karenz und Elternteilzeit durch
denselben Elternteil bzw sind die Maximalzeiträu-
me, in denen Karenz und Elternteilzeit verbraucht
werden können, gesetzlich vorgegeben. Einem/
einer AN steht es also nunmehr (bei Erfüllung aller
dafür erforderlichen Voraussetzungen; siehe dazu
die Pkte 1 und 2) offen, selbst nach Ausschöpfen
des maximalen Karenzanspruchs für ein und das-
selbe Kind Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen.
Dieses grundsätzlich, vom Gesetzgeber in den
entsprechenden Bestimmungen des MSchG und
VKG klar zum Ausdruck gebrachte Entkoppeln von
Karenz und Elternteilzeit muss aber für alle denk-
baren und zulässigen Kombinationen von Karenz
und Elternteilzeit gelten. Dafür sprechen auch die
einschlägigen verfassungs- und europarechtlichen
Bestimmungen in Art 2 StGG, Art 7 B-VG und
der RL 2010/18/EU, die einer anderen, dann wohl
unsachlichen und gleichheitswidrigen Gesetzesaus-
legung entgegenstehen würden (vgl Bach, Ersatz-
karenz nach § 15 Abs 1 Z 1 MSchG ist kein Verzicht
auf den Elternteilzeitanspruch, ARD 6537/4/2017).
In der Praxis ist es daher unerheblich, ob bereits
zu Beginn der Karenz bekannt gegeben wird, dass
sie für den längstmöglichen Zeitraum verbraucht
werden soll, oder ob eine ursprünglich kürzere
Karenz im Rahmen des § 15 Abs 3 Satz 2 MSchG
bzw § 2 Abs 5 Satz 2 VKG einseitig verlängert wird
oder aber, ob zur Vermeidung einer momentan
nicht gewollten gerichtlichen Auseinandersetzung
Karenz anstelle eines bereits geäußerten Teilzeitbe-
gehrens gem § 15m Abs 1 MSchG bzw § 8e Abs 1
VKG in Anspruch genommen wird. Die in den
letztgenannten Bestimmungen verwendete Wortfol-
ge „an Stelle der Teilzeitbeschäftigung“ kann daher
ganz iSd OGH nur zeitlich verstanden werden.
Gemeint ist damit also, dass statt des derzeitigen
Teilzeitbegehrens Karenz in Anspruch genommen
werden soll. Da diese Möglichkeit auch mit dem
Lebensalter des Kindes begrenzt ist, endet auch
diese Ersatzkarenz spätestens mit der Vollendung