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noch kaum vor. Und auch die Umkehrung des traditionellen Ernährermodells, d. h. die
Frau als Alleinernährerin, was aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit der Männer insbe-
sondere in Ostdeutschland immer häufiger vorkommt (25 % aller Paarhaushalte), beruht
meist nicht auf Freiwilligkeit und wird von den beteiligten Männern wie Frauen als
normwidrig empfunden.
Die Hartnäckigkeit dieser traditionellen geschlechtlichen Arbeitsteilung wird gestützt und
perpetuiert durch Ideologien einerseits und Institutionen andererseits. Zum einem wirkt
die schon von Luther begründete deutsche Ideologie der Frau als Hausfrau und Mutter
fort – sehr schön beschrieben von Barbara Vincken (2001) in ihrem Buch „Die deutsche
Mutter“ –, der zufolge eine Frau nur zu Hause ihrer eigentlichen Bestimmung gerecht
wird und Kinder nur in der Obhut der Mutter gedeihen, wenigstens bis zum 3. Lebensjahr,
und der zufolge Kindererziehung Privatsache und dementsprechend „Fremdbetreuung“
schädlich ist. Dass dies eine spezifisch deutsche Ideologie ist, lässt sich daran ablesen,
dass es Begriffe wie „Rabenmutter“ oder „Fremdbetreuung“ in keiner anderen Sprache
außer im Deutschen gibt.
INSTITUTIONELLE ABSICHERUNG DER FAMILIENIDEOLOGIE
Diese Ideologie wird aber auch ganz materiell durch eine Reihe von Institutionen abgesi-
chert, die es so nur in (West-)Deutschland gibt: das sogenannte Ehegattensplitting, das
EhepartnerInnen steuerlich begünstigt, wenn ein/e PartnerIn möglichst viel und der/die an-
dere möglichst wenig Einkommen erzielt; das System von Halbtagskinderbetreuung und
Halbtagsschule, das trotz Ausbauanstrengungen von Ganztagsbetreuung und Ganztags-
schule immer noch die Regel ist (der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung beläuft sich nur
auf vier Stunden täglich) und das selbst Halbtagsarbeit schwer möglich macht; und die
Langzeitarbeitskultur in deutschen Betrieben, der zufolge nur Karriere machen kann, wer
bereit ist zu Überstunden, Meetings in den Spätnachmittagsstunden, nützlicher Bezie-
hungspflege am Abend und neuerdings auch noch zu permanenter Erreichbarkeit via Han-
dy und E-Mail – auch am Wochenende und im Urlaub –, d. h., wer für den Betrieb jederzeit
verfügbar ist.
Diese sehr deutsche Langzeitarbeitskultur (in Skandinavien ist es z. B. ganz selbstverständ-
lich, dass auch männliche Führungskräfte um 16.00 Uhr Schluss machen, um ihr Kind vom
Kindergarten abzuholen) lässt sich mit familiären Sorgepflichten, sei es Kinderbetreuung,
sei es Pflege von Angehörigen, nicht vereinbaren. Da die Sorgearbeit in Deutschland aber
nach wie vor zum weitaus überwiegenden Teil von Frauen wahrgenommen wird, funktio-
niert diese Langzeitarbeitskultur wie ein ganz harter, gleichzeitig aber nicht als solcher de-
klarierter Ausschlussmechanismus für Frauen von den gut dotierten und karriereträchtigen
Posten. Solche Jobs mit langen und häufig nicht planbaren Arbeitszeiten können Men-
schen mit Sorgeverpflichtungen sich nicht leisten. Und viele, überwiegend Frauen, zuneh-
mend aber auch Männer, insbesondere junge Väter, wollen sie sich auch nicht leisten. Da-
bei ist die Freiwilligkeit des Karriereverzichts aber eher eine erzwungene. Immer noch sind
Teilzeitjobs für Männer und Führungskräfte eine Seltenheit. Dass sie möglich sind, zeigt
eine Sammlung von Porträts von Männern in Teilzeit, die unter dem Titel „Teilzeitarbeit –