Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie
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Streitigkeiten zu schlichten, eine Fabrikordnung (Vorläufer der heutigen Betriebsvereinbarun-
gen) zu erarbeiten und die Krankenunterstützungskasse zu verwalten. Von den Fabrikausschüs-
sen gewählte Fabrikräte sollten auf Ebene der Gewerbebezirke agieren. Fabrikschiedsgerichte soll-
ten der Beilegung von Streitigkeiten dienen. Diese Pläne blieben jedoch Makulatur; sie wurden
im Zuge der ab 1850 einsetzenden Reaktion nicht mehr weiter verfolgt.3
Seit 1919 waren jedenfalls „der Betrieb“, subsidiär „das Unternehmen“ sowie „der innerstaatliche
Konzern“ die zentralen Organisationsräume für die „selbstverwaltete Vertretung“ der Belegschaft.
Diese drei Anknüpfungspunkte – die letztlich physisch, örtlich und organisatorisch identifi-
zierbar sind – wurden nun das nach dem Typus der Fabrik oder der Verwaltungsstelle (Kanzlei,
„Bureau“ oÄ) verortete Denkmuster für die Idee der kollektiven Interessenvertretung.4
1.1 Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von
Randbelegschaften
Die Zuständigkeit der betrieblichen Interessenvertretung für ihre „KollegInnen außerhalb
des Betriebs“ (Außendienst, Montage, sonstige dauerhafte Abwesenheit vom Betrieb) ist grund-
sätzlich gegeben, sofern diese Personen in die betriebliche Organisation eingegliedert blei-
ben. Der Status als betriebsverfassungsrechtlicher/betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerIn
und Betriebsbelegschaftsmitglied (§ 36 Abs 1 ArbVG) bleibt nach stRsp trotz weit entferntem
Arbeits ort gewahrt, wenn Weisungen, Kontrolle und andere Merkmale der persönlichen Abhän-
gigkeit oder der organisatorischen Eingliederung vom Betrieb ausgehend erfolgen; insbesondere,
wenn die Personalverwaltung und die Lohnverrechnung, zB eines Außendienstmitarbeiters/einer
Außendienstmitarbeiterin, weiterhin aus dem inländischen Betrieb abgewickelt werden.5 Der
Geltungsbereich eines Sozialplans (dh einer für den österreichischen Betrieb abgeschlossenen
Betriebsvereinbarung) erfasst auch im Ausland tätige ArbeitnehmerInnen des Betriebs, solange
sie nur organisatorisch Teil desselben sind.6
Für zuarbeitende Arbeitskräfte in Heimarbeitsverhältnissen ist seit der Stammfassung des
ArbVG 1974 deren Einbeziehung in den „Schutzraum“ des Betriebs vorgesehen gewesen, ob-
wohl diese im Regelfall freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen sind.7 Bei
entsprechender Kontrolldichte und disziplinärer Unterworfenheit gegenüber dem/der Arbeitver-
geberIn (AuftraggeberIn) oder Intermediär (bis 2009 im HeimAG als „Mittelsperson“ geregelt)
können sie jedoch auch „echte ArbeitnehmerInnen“ sein.8
3 Näher zur Geschichte der Mitbestimmung siehe Müller-Jentsch auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.
boeckler.de/20376_20381.htm (17.10.2016).
4 Siehe dazu Risak, Individuelles und Kollektives im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und
Rechtskunde (2014) 129 (133).
5 Näher zu Judikatur und Lehre siehe im Abschnitt „Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy“.
6 OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 18; Tomandl in Tomandl,
ArbVG § 36 Rz 10. Nähere Ausführungen unter Abschnitt „Der Betriebsbegiff des ArbVG“.
7 Vorausgesetzt sie sind nicht Gewerbetreibende. Näher Trost, Heimarbeit, DRdA 1992, 25; Ritzberger-Moser/Widorn, Heim-
arbeitsgesetz (1995) 39 f. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Status siehe Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 36
Rz 11; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl (Hg) ArbVG § 36 Rz 14 f.
8 Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 13 und 17 f; näher siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des
ArbVG“.