Pflichtverletzung erfüllt sein könnte (vgl § 27 Z 4 AngG, § 82 lit f GewO). Der Arbeitgeber
wäre daher zur Entlassung einzelner, mehrerer oder aller Streikenden berechtigt28. Als
Folge der internationalen Anerkennung eines Streikrechts als Grundrecht (vgl 13.2) kann
ein generelles Recht zur vorzeitigen Lösung des Arbeitgebers nicht vertreten werden. Auch
im Rahmen des individuellen Entlassungsrechts haben Überlegungen zur kollektivrecht-
lichen Zulässigkeit, insb zur Verhältnismäßigkeit der Streikmaßnahme, Eingang zu finden.
Keinesfalls kann der Streik von vornherein einer beharrlichen Pflichtverletzung gleichgesetzt
werden. Eine Entlassung wird nur dann in Frage kommen, wenn ein besonderer Unrechts-
gehalt im Arbeitnehmerverhalten zur Streikmaßnahme hinzukommt.
13.6.3. Arbeitskampf und Lohnanspruch
Streikende Arbeitnehmer besitzen keinen Lohnanspruch. Auch ein Recht auf Streik
(vgl 13.2) vermag daran nichts zu ändern. Unterlässt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung
auf Grund der Streikmaßnahme, dann steht ihm für die Dauer dieser von ihm zu vertreten-
den Nichtleistung kein Entgeltäquivalent zu. Jede andere Lösung würde zu einer massiven
Beeinträchtigung der Kampfparität führen.
Ein besonderes Problem ergibt sich beim Teilstreik bezüglich der nicht streikenden arbeits-
willigen Arbeitnehmer. Liegt in diesem Fall ein Umstand auf Seiten des Arbeitgebers vor
(§ 1155 ABGB), der demgemäß von ihm zu vertreten ist? Auszugehen ist davon, dass
der Teilstreik entweder der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmersphäre zuzuordnen ist.
Ein Fall der „neutralen Sphäre“ liegt bei Bestreikung des konkreten eigenen Unternehmens
nicht vor (allg zur sog Sphärentheorie vgl 6.9). Man könnte die Auffassung vertreten, dass
der den Streik charakterisierende Solidaritätsgedanke umfassende Wirkung habe und die
Arbeitnehmersphäre ohne Rücksicht auf die Arbeitswilligkeit bestimmter Arbeitnehmer
abgrenze. In einem solchen Fall wäre ein Lohnanspruch der Nichtstreikenden nicht ge-
geben.
Beim „schlichten“ Teilstreik wurde der Entgeltanspruch der arbeitsbereiten Arbeitnehmer schon in
der E des OGH v 23. 8. 1921 (Ob III 572/21, SZ 3/84) anerkannt. Der sich zum Dienst meldende
Arbeitnehmer bekundet seine Arbeitsbereitschaft gem § 1155 ABGB. Dass seine Arbeitsbereitschaft
nur eine scheinbare ist, muss ihm nachgewiesen werden29. Die objektive Tatsache des Vorliegens ei-
nes Schwerpunktstreiks sagt über die Arbeitsbereitschaft im konkreten Fall noch nichts Entscheiden-
des aus. Gibt jedenfalls der Arbeitgeber keine Erklärung ab, dass die arbeitsbereiten Arbeitnehmer
nach Dienstantritt am Streiktag ihren Dienst nicht versehen müssen und das Betriebsgelände verlassen
können, hat der Arbeitgeber nach Ansicht des OGH die Arbeitsbereitschaft angenommen. Eine Ent-
13.6.3.
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Arbeitskampfrecht
28 Vgl dazu Bydlinski, Vertragsrecht und Arbeitskampf, ÖZÖR VIII, 300; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf
(1972), 57 ff; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965), 268 ff; krit Kohlbacher,
Streikrecht und Europarecht (2014), 381 ff, die sich bei Durchführung von Unionsrecht gem Art 51 Abs 1
Europäische Grundrechtscharta gegen das Vorliegen eines pflichtwidrigen Verhaltens und für eine Suspendie-
rung der vertraglichen Hauptleistungspflichten bei Ausübung des Grundrechts auf Streik ausspricht; Krejci,
Recht auf Streik – Ein Paradigmenwechsel mit Folgen im Arbeitskampfrecht Österreichs (2015), der auch
aus Sicht des nationalen Arbeitsrechts die Trennungstheorie ablehnt; Mair, Arbeitskampf und Arbeitsvertrag
(2008).
29 Vgl 6.9.1.5; zur Gesamtproblematik s insb Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? – Zum Lohnanspruch Arbeits-
williger bei teilstreikbedingter Betriebsstörung (1988); Laminger, Entgeltfortzahlungsanspruch nicht streiken-
der Arbeitnehmer, ecolex 2003, 537.
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