Als weitere Arten von Willensmängeln sind Täuschung und Drohung, Scheingeschäft sowie
Mentalreservation (geheimer Vorbehalt) zu klassifizieren.
Täuschung liegt vor, wenn jemand durch Vorspiegelung unzutreffender Umstände zum Vertragsab-
schluss bewogen wurde. Drohung bedeutet Erzeugung von Furcht durch Ankündigung eines Übels.
Für beide Tatbestände ist charakteristisch, dass sie nur dann zur Anfechtung berechtigen, wenn ohne
sie der Vertrag nicht oder zumindest nicht in dieser Form abgeschlossen worden wäre. Irrelevant ist
dabei, ob sich die Drohung oder Täuschung auf den Inhalt des Geschäfts oder bloß auf dessen Motive
bezieht. Von Scheingeschäften spricht man, wenn Willenserklärungen bloß zum Schein abgegeben
werden, um dritte Personen zu täuschen189. Soll dadurch ein anderes Geschäft verborgen werden, so
ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen (§ 916 Abs 1 ABGB). Den Scheincharakter
einer urkundlich nachgewiesenen Vereinbarung muss derjenige beweisen, der sich auf die Ungültig-
keit beruft190. Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, kann die Ein-
rede des Scheingeschäfts nicht entgegengesetzt werden (§ 916 Abs 2 ABGB). Während beim Schein-
geschäft beide Partner absichtlich Nicht-Gewolltes erklären, weiß im Falle des geheimen Vorbehalts
(Mentalreservation) nur der Erklärende selbst, dass er etwas anderes erklärt, als er in Wahrheit will.
Denjenigen, der die Scheinhandlung unternimmt, trifft eine Verpflichtung zum Schadenersatz
(§ 869 ABGB). Da der Erklärungsempfänger in seinem Vertrauen auf die ihm zugegangene Erklärung
schutzwürdig ist, sind derartige Verträge jedoch als gültig zu klassifizieren.
5.4.1.2. Wirkung
Weist ein Vertrag einen Mangel auf, so entfaltet er nicht die vollen Wirkungen. Die eintre-
tenden Rechtsfolgen orientieren sich in erster Linie an der Art des Mangels. Während Irr-
tum, Täuschung oder Drohung zur Anfechtbarkeit191 des Vertrags führen, sind fehlende
Geschäftsfähigkeit, sofern der Vertreter den Vertrag nicht genehmigt, Unmöglichkeit der
Leistung, Verstöße gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten sowie Scheingeschäfte
mit Nichtigkeit bedroht.
Nichtigkeit bedeutet, dass ein gültiger Vertrag nicht oder nicht mehr besteht. Dieser ist von
Anfang an (ex tunc) oder ab einem bestimmten Zeitpunkt (ex nunc) wirkungslos. In der
Regel wirkt die Nichtigkeit absolut, dh jeder rechtlich Interessierte kann sich darauf beru-
fen. Von bloß relativer Nichtigkeit spricht man dann, wenn die Ungültigkeit dem Schutz
gewisser Personen dient, denen gegenüber die Nichtigkeit nicht geltend gemacht werden
darf (zB sind Rechtshandlungen des Schuldners gem § 3 Abs 1 IO nur den Insolvenzgläubi-
gern gegenüber unwirksam). Ist ein Vertrag nichtig, so sind bereits erbrachte Leistungen zu
retournieren oder, falls dies nicht mehr möglich ist, nach bereicherungsrechtlichen Grund-
sätzen, dh nach Maßgabe des verschafften Nutzens, zu vergüten (§§ 1431 ff, 1447 ABGB).
Zu beachten ist, dass ein Vertrag, der sowohl Mögliches als auch Unmögliches enthält, nur
hinsichtlich des von der Unmöglichkeit betroffenen Teils nichtig ist, während der mangel-
freie Teil rechtswirksam bleibt, sofern sich aus dem hypothetischen Parteiwillen nichts an-
deres ergibt (§ 878 ABGB). Diese Vorschrift ist analog auf die Fälle teilweiser Unerlaubtheit
anzuwenden. Auch hier ist der gesetz- oder sittenwidrige Teil zu eliminieren, während der
Arbeitsvertragsmängel
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5.4.1.2.
189 Vgl OGH 19. 3. 1985, 4 Ob 32/85, infas 1985, A 127.
190 OGH 26. 11. 1985, 4 Ob 138/84, ZAS 1986, 123 mit Bespr v P. Bydlinski.
191 Allgemein zur Irrtumsanfechtung im Arbeitsrecht s Tutschek, Irrtums- und Listanfechtung im Arbeitsrecht
(2017).
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