stehenden Arbeitnehmer. Die liberale Vorstellung formell gleichwertiger Partner hatte sich
als Fiktion erwiesen, sodass die ökonomische Vormachtstellung der Unternehmer trotz for-
maljuristischer Gleichheit zu einem einseitigen Diktat von Arbeitsbedingungen führte.
1.4.1. Öffentlich-rechtliche Intervention/Beschränkung der
Privatautonomie
Der Staat greift zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit unmittelbar
ein, indem er öffentlich-rechtliche Gebote und Verbote schafft, welche die Arbeit an sich
– also ohne Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsvertrags – betreffen. Die Entstehung
des Arbeitnehmerschutzes auf Grund staatlicher Initiative, die Überwachung durch die Ar-
beitsinspektion, die Schaffung hoheitlicher Eingriffsmöglichkeiten durch Verfügungen ver-
schiedenster Art und die Strafsanktionen bewogen die Arbeitsrechtswissenschaft zunächst zu
einer strengen Trennung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften von den übrigen Bestim-
mungen arbeitsrechtlicher Natur, insb dem Vertragsrecht. Diese Trennung wurde auch
durch entsprechende Wertungsgegensätze nahegelegt.
Der Arbeitsvertrag wurde in erheblichem Maße der privatautonomen Gestaltung entzo-
gen, indem durch Gesetz und die spezifischen Rechtsquellen des Arbeitsrechts (insb durch
Kollektivverträge) zwingendes Recht geschaffen wurde. Hiedurch werden die Arbeitsbedin-
gungen in der Regel so fixiert, dass nur günstigere vertragliche Abmachungen zugelassen
werden (unabdingbare bzw relativ zwingende Wirkung). In Ausnahmefällen wird die Rege-
lung der vertraglichen Disposition überhaupt entzogen (absolut zwingende Wirkung). Die
Art der zwingenden Wirkung, verbunden mit der dadurch bedingten Zulässigkeit günstige-
rer Sondervereinbarungen, ist für den Stufenbau der Arbeitsrechtsordnung von grundlegen-
der Bedeutung (vgl 3.2.2 und 3.2.3).
1.4.2. Gliederung nach Rechtsbereichen – Begriffe
Regelmäßig wird das österreichische Arbeitsrecht in das Individualarbeitsrecht und das kol-
lektive Arbeitsrecht unterteilt. Das Individualarbeitsrecht regelt einerseits die vertraglichen
Pflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Arbeitsvertragsrecht) und anderseits
die öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses
(Arbeitnehmerschutzrecht). Innerhalb des Arbeitnehmerschutzrechts kann zwischen tech-
nischem Arbeitnehmerschutz (Gefahren- oder Betriebsschutz; vgl 7.2), Arbeitszeitschutz
(vgl 7.4) und Verwendungsschutz (zB Regelung der Arbeit von Jugendlichen und Frauen;
vgl 7.3) unterschieden werden.
Das kollektive Arbeitsrecht erweitert das Arbeitsrecht um „kollektive Phänomene“, dh um
die Bildung von Belegschaftsvertretungen und überbetriebliche Interessenvertretungen. Das
kollektive Arbeitsrecht in seiner Gesamtheit wird auch als Arbeitsverfassung bezeichnet.
Die entsprechenden Regelungen finden sich im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG). Der Be-
griff ist insofern irreführend, als es sich hiebei nicht um Verfassungsrecht, sondern um ein-
faches Gesetzesrecht handelt.
Begriff und Werden des Arbeitsrechts
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1.4.1.
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