Die Personentariferhöhung
der Bundesbahnen
Von Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe
Dipl.-Ing. Karl Waldbrunner
Die Meldungen der Tagespresse über die bevorstehende Person e n-
tariterhöhung der Bundesbahnen haben eine teilweise sehr abiäl-
liye Kritik einer solchen Maßnahme ausgelöst. So begreiflich es ist, daß eine
Verteuerung der Bahn- oder Autobusfahrt ungern hingenommen wird, muß
man doch auch Gerechtigkeit für diese Verkehrsunternehmungen verlangen,
die _ wie die Bundesbahnen oder die Post — der Allgemeinheit gehören
und deren Betriebsverlust nur wieder von der Allgemeinheit getragen
wird. Wir lassen deshalb den zuständigen Ressortminister selbst zu Worte
kommen.
Es ist bekannt, daß gerade die
Bundesbahnen ständig mit einem nam¬
haften Verlust arbeiten, der zu
einem sehr bedeutenden. Teil auf die
außerordentlichen Tarifbegünstigun¬
gen zurückgeht, die dauernd gewährt
werden müssen. Der Fehlbetrag muß
im wesentlichen aus S t e u er¬
mitteln aufgebracht werden, die
auch von denen kommen, die nicht
oder nur selten mit den Bundesbahnen
fahren und Autobusse benützen. Dies
läßt sich bei aller Rücksichtnahme auf
wirtschaftliche und soziale Bedürfnisse
nur in beschränktem Ausmaße recht-
fertigen.
Erhöhte Kosten im Verkehr müs¬
sen daher von den Benützern die¬
ser Verkehrsmittel mitübernommen
werden. Sowohl bei der Bahn wie bei
den Autobusunternehmungen sind n
Laufe der letzten beiden Jahre b e-
deutende Kostensteigerun¬
gen eingetreten, die keineswegs auf
ein unrationelles Arbeiten zurückzu¬
führen sind. Im Gegenteil sind sowohl
bei Bahn wie bei Post trotz unver¬
ändert hoher Verkehrsleistungen in
dieser Zeit nahmhafte Personal-
Verminderungen vorgenommen
worden.
Der Aufwand in der laufenden Ge¬
barung der Bundesbahnen wird im
Jahre 1954 um ungefähr 1 Milliarde
höher sein als er im Jahre 1951 ge¬
wesen ist. Es ist im vergangenen Jahr
wohl eine bedeutende Erhöhung der
Gütertarife durchgeführt worden, die'
einen Teil dieser Ausgabensteige¬
rungen wettgemacht hat, zu einer
Personentariferhöhung ist es aber
nicht gekommen.
Personentarife 2urü(kgeblieben
Heute ist es leicht, Vorwürfe zu
machen, daß diese Personentarif¬
erhöhung nicht früher durchgeführt
worden ist. Immer, wenn in den ver¬
gangenen zwei Jahren diese Forde¬
rung gestellt wurde, ist sie von den
politischen Parteien, die ihr im Haupt¬
ausschuß zustimmen müssen, zurück¬
gestellt worden. Einmal war die
Stabilisierung der Preise, ein ander¬
mal die Angleichung der Wechsel¬
kurse der Grund dafür.
Das Ergebnis ist, daß heute die
Personentarife der Bundesbahnen
daß mit Beginn des Winterfahrplanes
der Fahrpreiserhöhung auf den Auto¬
buslinien nachgegeben werden mußte
Die Erhöhung entspricht ungefähr der
auf der Bundesbahn in Aussicht ge¬
nommenen.
Der Termin Anfang Oktober
wurde deswegen gewählt, um die
Sommerurlaube nicht zu beeinträch¬
tigen. Bei der Bahn wird die Erhöhung
sogar erst anfangs Jänner wirksam
werden, so daß auch der heurige
Weihnachtsurlaub noch zum nied¬
rigeren Fahrpreis abgewickelt wer¬
den kann.
Erhöhung um 25 Prozent
Die Erhöhung der Bahntarife muß
vom Hauptausschuß des Nationalrates
genehmigt werden, und dieses Geneh¬
migungsverfahren erfordert ebenso
seine Zeit wie die darauf folgende
Vorbereitdng der neuen Fahrkarten.
Dadurch hätte die Erhöhung der Per¬
sonentarife auf den Bundesbahnen
keinesfalls mit Beginn des Winterfahr¬
planes durchgeführt werden können,
sondern wahrscheinlich erst wenige
Wochen vor Weihnachten, was zwei¬
fellos für eine große Zahl von Bahn-
benützern eine Härte gewesen wäre.
über das Ausmaß der beabsich¬
tigten Erhöhung ist ja schon in der
Presse berichtet worden. Es werden
alle Fahrpreise — auch die ermäßig¬
ten — um 25 Prozent ihres gegen¬
wärtigen Betrages erhöht. Wie üblich
werden Aufrundungen aut halbe be¬
ziehungsweise ganze Schillinge vor-
genommen, die geringfügige Ab¬
weichungen ergeben können.
Nach Durchführung dieser Tarif¬
erhöhung wird noch immer der Fahr¬
preis im Durchschnitt nur ungefähr
das Dreifache der Vorkriegszeit
ausmachen. Auch nach der Erhöhung
wird der Personentarif der Bundes¬
bahnen neben dem der Italienischen
Staatsbahnen zu den billigsten
in Europa gehören. Ansonsten er¬
reichen die Personentarife der Bahnen
in den Nachbarländern Österreichs —
Deutschland und Schweiz, aber auch
in Frankreich — ungefähr das
Doppelte. Mit der ermäßigten Rück¬
fahrkarte wird man auch nach der
Tariferhöhung noch immer billiger
fahren können, als der volle Fahr¬
preis hin und zurück heute ausmacht.
In der letzten Zeit wurde wieder¬
holt auch der Vorwurf erhoben, daß
die Bundesbahnen heute zuviel und
zu bedeutende Ermäßigungen
im Personenverkehr zugestehen. Wäh¬
rend «Iso der eine Teil der Bevölke¬
rung darüber verärgert ist, daß die
Bundesbahnen mehr verlangen, ist
ein anderer Teil verärgert, daß sie
zumindest von einem großen Teil der
Bahnfahrer zu wenig verlangen.
Es ist richtig, daß zum teil sehr
große Ermäßigungen gewährt wer¬
den. Die bedeutendsten sind zweifel¬
los die Arbeiterwochenkar¬
ten und die Schülermonatskarten.
Bei den Arbeiterwochenkarten er¬
geben sich Ermäßigungen bis zu
90 Prozent des vollen Fahrpreises
und bei den Schülermonatskarten
bis zu 95 Prozent. Diese Ermäßi¬
gungssätze werden auch weiter
hin beibehalten.
Im Vergleich zur Vorkriegszeit
braucht ein Arbeiter nach der beab¬
sichtigten Erhöhung nu' ungefähr ein
Drittel an Arbeitsstunden, um sich den
Betrag der Wochenkarte zu erarbei¬
ten. Bei der Schülermonatskarte ist
der Unterschied noch größer. Die Ar¬
beiterwochenkarte wird nach der Er¬
höhung bei Entfernung bis 5 km
S 5,20, bis 10 km S 8,30, bis 20 km
S 13,30, bis 40 km S 20,80 betragen.
Die Schülermonatskarte wird nach der
Erhöhung bis 5 km S 10,40, bis 10 km
S 16,60. bis 20 km S 26,60 und bis
40 km S 41,60 kosten.
Ermäßigungen müssen bleiben
Es kann sich niemand vorstellen,
diese Ermäßigungen ausschlaggebend
abzubauen, weil heute zuviele Men¬
schen davon betroffen und in ihrer
Existenz ernstlich geschädigt würden
Widerspruch erweckt auch immer
wieder die Regiefahrt für die
Eisenbahner und deren Angehörige
Eine solche Ermäßigung wird aber bei
fast sämtlichen europäischen Eisen¬
bahnen gegeben und geht bei uns
schon auf die österreichisch-unga¬
rische Monarchie zurück. Die Deut-*
sehe Bundesbahn, die den Regiefahr¬
preis nicht kannte, hat ihn seit einiger
Zeit sogar eingeführt. Wo die Regie¬
karte aber nicht besteht, gibt es für
die Bediensteten und deren Ange¬
hörige sowie für die Pensionisten
eine große Zahl von Freikarten, wie
zum Beispiel in Belgien, wo 26 Stück
im Jahr gegeben werden.
Es ist undenkbar dal man der
Eisenbahnern etwas wegnimmt, was
sie bei uns immer als einen Teil
ihres Besoldungsrechtes besessen
haben.
übrigens stehen den Forderungen
nach Abbau von Ermäßigungen minde¬
stens ebensovieie Forderungen nach
neuen Ermäßigungen gegenüber,
die von Vertretern aller Bevölke¬
rungsschichten, politischen Parteien
(Fortsetzung von Seite 1)
DGB für Arbeitsbeschaffung
nur das 2,3fache der Vorkriegszeit
ausmachen, obwohl die Bahnen
alles, was sie für den Betrieb brau¬
chen, zu Preisen kaufen müssen, die
mehr als das 7fache der Vorkriegs¬
zeit betragen.
Auch die Gehälter der Eisenbahner,
die keineswegs über dem Lohn- und
Gehaltsdurchschnitt der östereichi-
schen Arbeiter und Angestellten
liegen, sind in ihrem Index wesent¬
lich höher als diese Tarife. Ob¬
wohl die Zahl der beförderten Per¬
sonen ständig steigt und im vergan¬
genen Jahr schon mehr als das
Doppelte der Vorkriegszeit betragen
hat, machten die Einnahmen aus dem
Personenverkehr nicht einmal ein
Viertel der Gesamteinnahmen der
Bundesbahnen aus.
Da sich die Autobustarife im
wesentlichen nach den Bahntarifen
richten müssen und der Autobus¬
betrieb ja nahezu ausschließlich vom
Personenverkehr abhängig ist, kann
man sich vorstellen, daß auch
der Autobusverkehr — soweit er regel¬
mäßiger Linienbetrieb ist — in immer
größere Schwierigkeiten geriet. Das
Defizit eines großen Teiles solcher
Autobuslinien drohte, deren Einstel¬
lung zu erzwingen. So erklärt es sich,
die Ausbeutung der Wasserkräfte
und die Elektrifizierung der Bun¬
desbahnen schon deshalb stehen,
weil wir große Mengen Kohle im¬
portieren müssen. Die Autobahn
Salzburg—Wien kann erst in An¬
griff genommen werden, wenn die
dringlichen Aufgaben bewältigt
sind.
Schließt die Reihen enger!
Die Sozialversicherungsinstitute
kommen infolge des erhöhten Auf¬
wandes mit dem 30prozentigen
Staatszuschuß nicht mehr aus. Eine
Kürzung des Staatszuschusses
wäre untragbar, weil wir unsere
Alten nicht der Not überantworten
können.
Man soll sich deshalb nicht all-
zuviele Hoffnungen auf Steuer¬
senkungen machen. Steuer¬
senkungen würden Kürzung der In¬
vestitionen und damit höhere
Arbeitslosigkeit zur Folge haben
und auch eine Schmälerung der
Renten mit sich bringen.
Aufgabe des Gewerkschafts¬
bundes ist in erster Linie die
Sicherung ausreichen¬
der Beschäftigungs¬
möglichkeit. Wir müs¬
sen trachten, daß sich unsere
Wirtschaft weiterentwickeln
kann und daß unsere Rentner
leben können.
Eine große Aufgabe des Gewerk¬
schaftsbundes zur Erreichung sei¬
ner Ziele ist die Werbung der
700.000 Beschäftigten, die noch
nicht zum ÖGB gefunden haben.
Von zwei Millionen Arbeitneh¬
mern sind bekanntlich 1,3 Millio¬
nen in den Gewerkschaften organi¬
siert. Die noch Abseits¬
stehenden zu gewinnen,
muß eine der nächsten
Aufgaben der Organisa¬
tion sein.
und Körperschaften immer wieder ge¬
stellt werden. Ihnen kann in der heu¬
tigen Situation leider ebensowenig
nachgekommen werden als man die
aus sozialen Gründen wichtigen Er¬
mäßigungen aufzuheben imstande ist.
Die Tariferhöhung, so ungern sie
gesehen wird, läßt sich nicht länger
hinausschieben, über Art und Aus¬
maß sind die drei Kammern infor¬
miert worden und auch sie haben sich
den zwingenden Gründen nicht ver¬
schlossen. Die gesetzgebende Körper¬
schaft wird sich in Kürze damit be¬
schäftigen und diese Gründe eben¬
falls prüfen können. Mit dieser Rege¬
lung wird den Bundesbahnen und den
Autobusunternehmen die zufrieden¬
stellende Bedienung der Allgemeinheit
wenigstens einigermaßen erleichtert,
wenn sie schon nicht endgültig ge¬
sichert werden kann.
Urttepdeti
Unser„Unbehagen
Die Presseorgane von ganz rechts
und von ganz links stellen seit neue¬
stem fest, daß die österreichische Ge¬
werkschaftsbewegung ein großes Un¬
behagen befallen habe. Zum Beweis
für diese staunenswerte Tatsache wer¬
den aus dem Zusammenhang geris¬
sene Zitate aus Gewerkschaftsblättern
gebracht. Unter dem größten Behagen
der Gewerkschaftsgegner wird uns
solcherart ein Unbehagen zugeschrie¬
ben.
Wir fühlen uns zwar nicht berufen,
fromme Illusionen zu zerstören, wollen
aber dennoch ein offenes Wort dazu
sagen- Das Unbehagen, das uns Ge¬
werkschafter erfüllt, stammt nicht
von gestern oder von der vorigen
Woche, sondern besteht in unserer
immer größer gewordenen Bewegung
schon seil Jahrzehnten. Und dieses
Unbehagen war es auch, das uns die
beachtlichen Erfolge erringen ließ,
deren sich alle arbeitenden Menschen
unseres Landes heute — trotz allen
vorangegangen Widerständen — ja
doch erfreuen'
Wären wir zufrieden, wäre uns also
„behaglich" zumute, dann gäbe es
keinen weiteren sozialen Fortschritt,
denn nur die Unzufriedenheit ist die
Triebkrafl für unser Aufwärtsstreben.
Natürlich gibt es auch in unseren
eigenen Reihen da und dort Mängel.
Wenn wir darüber öfter, diskutieren,
so ist das nicht ein Zeichen der
Schw-äche, sondern im Gegenteil ein
Zeichen der Stärke. Will man also
dem Gewerkschaftsbund in banger
Schadenfreude eine Art Magen¬
beschwerden andichten, so macht man
sich damit nur lächerlich. Das Unbe¬
hagen, von dem jene Blätter faseln,
dürfte sie selbst und ihre Auftrag¬
geber befallen haben. Der großartige
Erfolg des 3. Gesamtösterreichischen
Gewerkschaftstreffens und die Tat¬
sache, daß schon jetzt, vor Beginn der
eigentlichen Werbeaktion, immer mehr
und mehr neue Mitglieder in die
Reihen unserer Gewerkschaftsorgani¬
sationen strömen, läßt dieses Un¬
behagen unserer Gegner immerhin
verständlich erscheinen
ARBEITERBANK
AKTIENGESELLSCHAFT WIEN
Prompte und gediegene Durditührung alle:
bankmäßigen Geschäfte. — Entgegennahme
von Spareinlagen. - finanzielle ße-atung
WIEN I
SEITZERGASSE 2-4
TELEPHON, R SÖ-5-40SERIE
ZWEIGSTELLE W IhN ZEILE,
WIEN, iV„ RECH1E WIEN ZEILE 37
TELEPHON: b 26-0-91
FILIALEN,
GRAZ, ANNENS TRASSE 24.
KLAGENFUP.T, BAHNHOFSTR. 44.
LINZ. WEINGARTSHOFSTRASSE 3
Seite 2 Nr. 20t SOLIDARITÄT