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Gewerkschaftspresse
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ZENTlftlLORGAN DES ÖSTERREICHISCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES
21. DEZEMBER 1953 / NR. 206 PREIS 25 GROSCHEN
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Produktivitätssteigerung auf schmaler Grundlage
Als vor mehr als drei Jahren die Organisation der europäischen Staaten
zur wirtschattlichen Zusammenarbeit auf Initiative der ERP-Verwaltung den
Gedanken der Produktivitätssteigerung zu propagieren begann, antworteten
alle europäischen Wirtschaftsfaktoren mit großer Zustimmung. Es wurde an¬
erkannt, daß die Produktivitätssteigerung eine unerläßliche Voraussetzung
für eine Hebung des Lebensstandards und für eine bessere Fundierung der
wirtschaftlichen Selbständigkeit der europäischen Staaten sei.
Weiters wurde festgesteilt, daß eine
Zusammenarbeit aller Wirtschaftsfak¬
toren, also der Arbeitnehmer und Ar¬
beitgeber auf Betriebsebene und der
Wirtschaftsverbände und Interessen¬
vertretungen auf nationaler Ebene,
eine wirtschaftlich richtige Produk¬
tivitätssteigerung außerordentlich för¬
dern könnte. Eine fortschrittliche Zu¬
sammenarbeit —s,v so wurde immer
wieder festgestellt — könnte eine
Produktivitätssteigerung zuwege brin¬
gen, die sich sehr wesentlich unter¬
scheiden würde von der in einer
technologischen Arbeitslosigkeit ge¬
endeten Rationalisierungswelle der
zwanziger Jahre.
. Die ERP-Verwaltung erklärte sich
bereit, die Anstrengungen der euro¬
päischen Staaten zur Steigerung der
Produktivität zu unterstützen.
Der amerikanische Kongreß er¬
ließ eine Novelle zum Auslands¬
hilfegesetz, die die Produktivitäts¬
steigerung befürwortete, die soge¬
nannte Benton-Novelle, und lange
Jahre hindurch bestand der Ein¬
druck, daß für die Produktivitäts¬
steigerung eine bedeutende Unter¬
stützung von der amerikanischen
Auslandshilfeverwaltung gewährt
werden würde.
Für Österreich glaubte man zeit-
30 bis 40 Millionen Dollar für
diesen Zweck erhalten zu können,
also etwa 800 bis 1000 Millionen
Schilling.
Später wurde allerdings eine zu¬
sätzliche Novelle zum Auslandshilfe¬
gesetz beschlossen, die den Produk-
tivitätsprogrammen in Europa nur
100 Millionen Dollar widmete, woraus
sich ergab, daß auf die einzelnen
Länder - Europas nur verhältnismäßig
sehr geringe Beträge der Auslands¬
hilfe entfallen können.
Im heurigen Jahr stellte sich dann
heraus, daß der auf Österreich ent¬
fallende Betrag nur 10 Millionen
Dollar betragen würde, und daß
die amerikanische Auslandshilfe-
verwaltung auf Grund eines neuen
Gesetzes von der Förderung einer
revolutionären Änderung der Be¬
ziehungen von Arbeitnehmern zu
Arbeitgebern abrückte und sich da¬
mit begnügte, mit den vorhandenen
Gegebenheiten zu arbeiten.
Es wird also nicht mehr der Ver¬
such gemacht werden, durch eine um¬
fangreiche Hilfe eine Produktivitäts¬
steigerung im großen Rahmen, durch-
zuführen und durch eine namhafte
Unterstützung die österreichischen
Arbeitgeber dahin zu bringen, ihre
Haltung gegenüber- der Arbeitnehmer¬
schaft auf Betriebsebene und natio¬
naler Ebene einer grundlegenden
Revision zu unterziehen.
Tatsächlich wird sich die Produk¬
tivitätssteigerung' in folgendem Rah¬
men bewegen: Österreich bekommt —
wie schon erwähnt — 10 Millionen
Dollar, die in Schilling umgerechnet
260 Millionen Schilling Counterpart-
miltel ergeben. Von diesen 260 Mil¬
lionen Schilling wird sich die Au.s-
landshilieverwaltung 10 Prozent, also
26 Millionen Schilling, für Eigen¬
zwecke zurückbehaiten, so daß für
die Produktivitätssteigerung in Öster¬
reich 234 MiHionen Schilling zur Ver¬
fügung stehen werden. Dieser Betrag
wird zu je einem Drittel für Produk¬
tivitätsprojekte auf dem Forschungs¬
und Entwicklungssektor, auf dem
landwirtschaftlichen Sektor und auf
dem. Sektor der gewerblichen Wirt¬
schaft verwendet werden.
Es werden somit für jeden ein¬
zelnen Sektor knapp 80 Millionen
Schilling zur Verfügung stehen.
Daß natürlich mit einem derartig
kleinen Betrag eine großzügige Pro¬
duktivitätssteigerung mit bedeuten¬
den volkswirtschaftlichen Ziel¬
setzungen im Rahmen einer wohl¬
durchdachten Planung gar nicht
möglich ist, liegt wohl auf der
Hand. (Fortsetzung auf Seite 2)
Weihnachten - Feft Deo FrieDeno unö 0er FrcuOe!
Dieb- Tagt perleben auch ienc taufende Arbeiter und Angcftellten Im Kreie ihrer
Familie Oie Oao Jahr über auf entlegenen Arbeitsplänen, Bauftellcn und in der
Einfamhcit fchneebeOechter Berggipfel, fern oon ihren Heben, ihre ldimere Arbeit
oerrichten. Nur lür menige, die den unbedingt notmcnOigen Betrieb aufrecht
erhalten, nimmt auch in dleter fei'tlidien Zeit der Rhythmus der Arbeit kein Ende.
Ihnen und allen Kolleginnen und Kollegen in Stadt und Land alle guten WUnfche
zu den Fefttagen und Glüd; und Erfolg im hemmenden Jahr!
Das Präftdium, der BunOesoorftanO, die Zentralreferate des OGB und die Redaktion
und Verwaltung der „Solidarität".
fyCeifiMacfifAgedattfieH
Es ist ein eigentümlicher Zauber,
der von der Weihnachtszeit aus¬
geht. Die Freude des Schenkens
oder des Beschenktwerdens liegt
wie ein Hauch über dem Alltag
und trägt selbst in die dürftigste
Hütte einen Schimmer festlichen
Glanzes. Aber auch der Hang zur
Besinnlichkeit, verdrängt von der
Hast der Zeit, wird angesichts des
strahlenden Lichferbaumes wieder
wach in uns. Vielleicht ist es gerade
diese Besinnlichkeit, die Gegensätze
vermindert, Vergleiche zuläßt und
einen weihnachtlichen Frieden in
unsere Herzen träg'
Da steht ein Vater und nimmt mit
glücklichen Augen teil an der
Freude seines Kindes. Und er be¬
sinnt sich, daß die Weihnachten
seiner eigenen Jugend übertönt
waren von der Not seiner Eltern.
Da hebt ein Greis sein Enkelkind
zu den Zweigen des Christbaumes
empor, und er denkt im Flackern
der Kerzen an die ungeheizte Stube
an vielen Heiligen Abenden seiner
freudlosen Kmdheit, denkt an Weih¬
nachten vor sechzig Jahren.
Damals war die Weihnachtszeit
keine Festzeit für den Arbeiter, sie
bedeutete ein oder zwei Tage
Lohnausfall und damit den Riemen
enger schnallen. Die Alten, Kran¬
ken und Arbeitslosen empfanden
an diesen Tagen ihr trauriges Los
doppelt schwer. Wurde doch ihre
Armut, zur Beruhigung des Gewis¬
sens der „Gesellschaft", vom Flitter¬
glanz prunkvoller Weihnachtsfeste
überdeckt. Mit spitzen Fingern ge¬
reichtes Almosen, das Resultat eini¬
ger Wohltätigkeitsveranstaltungen,
war meistens alles, was man für sie
übrig hatte.
Arbeiterweihnachten vor knapp
einem Menschenalter, und Arbeiter¬
weihnachten heute — welch ein
Unterschied, welch ein Aufstieg!
Als diese Entwicklung heuer beim
3. Gesamtösterreichischen Gewerk¬
schaftstreffen in einem eindrucks¬
vollen Festzug gezeigt wurde, ist
vor den Augen der älteren unter
den hunderftausenden Zuschauern
die DürfFgkeit ihrer eigenen Ju¬
gend wie ein böser Traum vor¬
übergezogen. Mögen sich die
Angehörigen der mittleren und
jüngeren Jahrgänge unter uns
nun beim Schein der Weih¬
nachtskerzen auch nur einige Se¬
kunden besinnen, welche Opfer
und welch zähen Kampf es den
Arbeitern und Angestellten, zu¬
sammengeschlossen in ihren Ge¬
werkschaften, einmal gekostet hat,
unserer Generation ein Weihnachts-