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Das Präsidium des österreichischen Gewerk¬
schaftsbundes hat sich mit der verschärften Lage
auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt und hat be¬
schlossen, gemeinsam mit dem Präsidium des
österreichischen Arbeiterkammertages bei der
Regierung vorzusprechen, um energische Ma߬
nahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
zu verlangen.
Wurde wirklich alles getan!
Von Präsident Johann Böhm
Wir stehen mitten im Winter. Die Arbeitslosenzahlen klettern aui 300.000 zu.
Sie haben den Höchststand des Vorjahres überschritten und sind um ungeiähr
50 Prozent höher als 1952.
Angesichts dieser Tatsache ergibt sich die Frage, ob wirklich alles vorge¬
kehrt wurde, was zur Eindämmung der Winterarbeitslosigkeit führen könnte.
Der österreichische Gewerkschafts-
biurd muß diese Frage verneinen. So
erfreulich die Aufrechterhaltung der
Investitionstätigkeit, die Ausweitung
der Produktion, die Zunahme des
Exports und damit die sinkende Ar¬
beitslosigkeit in den Sommer- und
Herbstmonaten des vorigen Jahres
waren, so betrüblich ist es, daß die
verantwortlichen Stellen sich allzusehr
auf diese Erfolge verließen und zu¬
wenig gegen das sich alljährlich wie¬
derholende rapide Ansteigen der Ar¬
beitslosigkeit in den Wintermonaten
vorkehrten.
Natürlich ist vor allem das Bau¬
gewerbe winterempfindlich, und ein
Großteil der Arbeitslosen rekrutiert
sich aus dieser oder mit ihr produk¬
tionsmäßig in Verbindung stehenden
Berufsgruppen,
Aber Gewerkschaftsbund und Ar¬
beiterkammern haben schon oftmals
Vorschläge erstattet, wo und wie
auch in diesen Berufszweigen in den
Wintermonaten weitergebaut und
weitergearbeitet werden kann.
Solche Vorhaben mögen schwierig
und teuer sein, es ist sicher einfacher,
die Beschäftigten über die Winter¬
monate auf die Straße zu setzen —-
aber billiger ist es, gesamtwirtschaft¬
lich gesehen, sicherlich nicht, da es
gottlob doch so weit ist, daß man
ihnen die Arbeitslosenunterstützung
geben muß.
Es wird in den Wintermonaten, be¬
dingt durch die Witterungsverhält¬
nisse, immer eine Zunahme an Ar¬
beitslosen geben, aber einen Beweis,
daß diese Zunahme eingedämmt wer¬
den kann, bietet Wien. Während im
Bundesdurchschnitt der Arbeitslosen¬
stand Anfang Jänner 1954 gegenüber
Ende November 1953 um 43 Prozent
höher war, stieg er in Wien nur um
15 Prozent an.
Und schließlich zeigt Nieder¬
österreich, zu welchen Ergebnissen
eine die sozialen Erfordernisse zu¬
wenig berücksichtigende Länderpoli¬
tik führen kann: In diesem Bundes¬
land war Mitte Jänner die Zahl der
Arbeitslosen bereits höher als im
Vorjahr!
Bis zum Frühjahrsbeginn ist noch
einige Zeit hin, es ist daher zu be¬
fürchten, daß der Höhepunkt der Ar¬
beitslosigkeit in diesem Winter noch
nicht überschritten wurde. Viel
kostbare Zeit wurde versäumt und ist
nicht wieder aufzuholen. Aber bei
wirklich gutem Willen können, doch
da, ,und dort noch Maßnahmen zur Ar¬
beitsbeschaffung ergriffen und damit
das weitere Ansteigen der Arbeits¬
losigkeit gehemmt werden.
Es können für Notstandsarbeiten
von Staat, Ländern und Gemeinden
Mittel freigestellt und in der ge¬
samten Wirtschaft für einen späte¬
ren Termin vorgesehene Aufträge
vorverlegt werden.
Wenn sich öffentliche Institutionen
und die Wirtschaft ihrer Verantwor¬
tung bewußt sind, so können auch
viele kleine Maßnahmen im Gesamt¬
ergebnis zu einem befriedigenden Re¬
sultat führen.
Es muß grundsätzlich festgestellt
werden, daß, wenn sich der Beschäf-
tigtenstand während des Jahres noch
so günstig gestaltet, das Problem der
Winterarbeitslosigkeit sich nie von
selbst lösen wird. Es wird immer be¬
sonderer Maßnahmen bedürfen, die
Arbeitslosigkeit im Winter in engen
Grenzen zu halten. So sehr es spät,
aber doch —- auf Grund der wirtschaft¬
lichen Erfahrungen Allgemeingut
wurde, daß mit staatlicher Initiative
die Arbeitslosigkeit allgemein be¬
kämpft werden kann, so wenig ist
noch die Anschauung durchgedrun¬
gen, daß sich auch die Saisonarbeits¬
losigkeit erfolgreich bekämpfen läßt.
Der Gewerkschaftsbund wird aber
nicht ruhen, diese Erkenntnis zu
verbreiten und sie, wie so vieles an¬
dere Fortschrittliche in diesem
Staate, durchzusetzen. Hände, die
arbeiten wollen, sollen auch in den
Wintermonaten nur wenn unbedingt
notwendig feiern.
Es ist oberste Pflicht der staatlichen
Gemeinschaft, den Bürgern Arbeit und
Brot das ganze Jahr hindurch zu
sichern.
Die Technik ist weit genug fortge¬
schritten, mit den die Winterarbeit
störenden Witterungsunbilden fertig
zu werden. Es ist unsere Aufgabe, mit
überholten Vorurteilen aufzuräumen.
Für Die LaiDinenopfer
Dae Präfiöium öes öfterreichifchen Geiucrkfchaftebunöeß hat
befchloffeii/ für öle Opfer öer Laimnenkataftrophen 100.000 Schilling
zur Verfügung zu ftellcn. Diefer Betrag rotiröe an öic Lanöeeeire=
kutipeVorarlbergöe0ÖfterreidiifchcnGeiPcrkfchaft0bunöe0roeiter=
geleitet.
Der öfterrelchifche Geroerkfchaftobunö ftcllt fich öamlt an öic
Spike einer Sammlung für öie in öfterreich oon Öen Lannnenkata=
ftrophen Betroffenen unö erfucht alle ßetrieboräte unö Geioerk=
fchaftomitglleöcr/ Spenöen für öie Lamincnopfer mit öer Be*
Zeichnung „Kataftrophenfonöo" auf öao Poftfparkaffenkonto
180.800 ÖC0 öfterreichifchen Gemerkfchaftobunöeo einzuzahlen.
Die Spenöenlifte loirö laufenö inöer„Soliöarität//pcröffentlicht.
Zum Problem
der Rentenerhöhung
Die berechtigte Forderung der in
der Privatwirtschaft beschäftigten
Arbeiter und Angestellten, ihre Ren
ten an die Pensionen der öffentlich
Bediensteten heranzuführen, rückt
irnmer mehr in den Vordergrund.
Die Arbeit der Arbeiter und Ange
stellten in der Privatwirtschaft hat
genau die gleiche wirtschaftliche
Bedeutung wie die der öffentlich
Bediensteten, sie können es daher
nicht verstehen, daß sie nach einer
40jährigen Beitragsleistung nur eine
Rente von etwa 45 Prozent ihrer
Bezüge erhalten, die öffentlich Be¬
diensteten aber eine Pension von
75 bis zu 82 Prozent ihres letzten
Gehaltes.
Sozialminister Maisei hat bereits
in mehreren Konferenzen und Ver¬
sammlungen zu diesen von ihm un¬
terstützten Forderungen Stellung
genommen und auch die sich dar¬
aus ergebenden finanziellen Fragen
behandelt. Im Sozialministerium
wird gegenwärtig ein knapp vor
der Vollendung stehender Gesetz¬
entwurf bearbeitet, der vom Haupt¬
verband der Sozialversicherungs¬
träger stammt und der nach einer
40jährigen Beitragsleistung eine Er¬
höhung der Renten der in der Pri¬
vatwirtschaft Beschäftigten auf et¬
wa 72 Prozent der Beitragsgrund¬
lage vorsieht.
Die jahrelange Forderung der
Arbeiter, ihnen eine Invalidenrente
nicht erst bei einer Zweidrittel¬
arbeitsunfähigkeit zuzuerkennen,
sondern, so wie bei den Angestell¬
ten, schon bei einer SOprozentigen
Arbeitsunfähigkeit, kann ebenfalls
nicht mehr übersehen werden. Auch
die am vergangenen Jahresende
wieder nicht erfüllte Forderung
nach einer dreizehnten Rente, wie
sie auch die Pensionisten des öffent¬
lichen Dienstes erhalten, wird nicht
mehr von der Tagesordnung zu
streichen sein.
So berechtigt diese Forderungen
nun sind, ihre Erfüllung erfordert
bedeutende Summen aus öffent¬
lichen Mitteln. Obwohl die Unter¬
nehmerseite ebenfalls zur Finanzie¬
rung dieses bedeutungsvollen Zieles
der Sozialversicherung herangezo¬
gen wird, werden auch die Arbeit¬
nehmer für unsere Alten ein kleines
Opfer bringen müssen, das sie —
selbst einmal alt oder arbeitsun¬
fähig geworden — auch für sich
selbst gebracht haben werden.
Sozialminister Maisei hat auch
den Weg gewiesen, in welcher
Form nun die notwendigen Mittel
zum Teil aufgebracht werden sol¬
len. Vorgesehen ist eine Erhöhung
der Beitragsgrundlage von 1800 auf
2400 Schilling. Wer über 2400 Schil¬
ling verdient, kann sich freiwillig
höher versichern lassen und erhält