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Full text: Wohnbauboom in Wien 2018-2021 (40)

VORWORT Bereits vor der Pandemie waren die Wohnungspreise in Wien laut Österreichischer Nationalbank deutlich überbewertet. In den letzten beiden Jahren sind diese Preise noch einmal um über 20 Prozent gestiegen. Diese jüngste Entwicklung ist tatsächlich abenteuerlich. Obwohl zuletzt so viel neue Wohnungen fertiggestellt werden, wie noch nie, steigen die Preise stärker als je zuvor. Warum entfaltet die überlieferte ökonomische Lehrmeinung, steigendes Angebot bewirke sinkende Preise, in der Praxis nicht die geringste Wirkung? Die vorliegende Studie liefert Erkenntnisse, mit denen sich dieses vermeintliche Rätsel lösen lässt. Die Autorin und die Autoren zeigen nämlich systematisch, wer die zuletzt fertiggestellten Wohnungen tatsächlich gekauft hat. Die dazu vorliegenden Ergebnisse sind zum Teil überraschend, aber in Summe aufschlussreich und in sich logisch. Einerseits zeigt sich auf der Käuferseite eine zunehmende Bedeutung von Kapitalanlagegesellschaften. Insbesondere im Rumpfjahr 2021 wurden fast 5.000 Wohnungen von solchen Firmen erworben, wobei nur mehr ein Drittel der Wohnungen von Gesellschaften gekauft wurde, die ihren Firmensitz in Österreich haben. Andererseits haben zwischen 2018 und 2021 beinahe 12.000 natürliche Personen die zu 83 Prozent ihren Wohnsitz in Wien oder Niederösterreich hatten, genau eine Wohnung gekauft. Großvolumige Wohnungspakete für internationale Investoren und über zehntausend kleine Wohnungseigentümer:innen, wie passt denn das zusammen? Diese erst einmal verblüffende Gleichzeitigkeit hat eine gemeinsame wirtschaftliche Ursache: die anhaltende Niedrigzinsphase. Wenn Kapitalanlagegesellschaften den Ertrag aus Vermietungstätigkeiten nach Kosten mit weniger als 1,5 Prozent Zinsen kalkulieren, folgt daraus eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft für Immobilien. Dadurch werden die Preise nach oben getrieben und erreichen das fünfzig- bis sechzigfache der jährlichen Mietzinseinnahmen. Solche Preise sind für den Großteil der Bevölkerung nicht finanzierbar. Aber Haushalte mit einem überdurchschnittlichen Einkommen, die zusätzlich von ihren Eltern oder Großeltern etwa 25 bis 30 Jahresmieten geschenkt oder vererbt bekommen, waren und sind in diesem Markt für einen wesentlichen Teil der Nachfrage verantwortlich. Im gewerblichen Segment sind Wohnungen also ein Produkt für Kapitalanlagegesellschaften und privilegierte Kinder aus privilegierten Herkunftsfamilien geworden. Diese harten Fakten sind strukturell bedingt und werden sich langfristig nicht ändern. Es ist daher die Aufgabe der Politik, für den überwiegenden Großteil der Bevölkerung bezahlbare und dauerhaft gesicherte Wohnverhältnisse zu schaffen. Dafür wird es einer Reihe von durchschlagenden Maßnahmen bedürfen. Aus Sicht der AK sollte die Bundesregierung hierfür insbesondere die befristete Vermietung von mehr als einer Wohnung verbieten, eine Abgabe auf Leerstand in ausreichender Höhe ermöglichen und öffentliche Liegenschaften für geförderte Wohnbauvorhaben bereitstellen. Die Stadt Wien sollte eine neue Offensive des Wohnfonds Wien starten, da aufgrund der Schutzsuchenden aus der Ukraine der Bedarf an geförderten Wohnungen zuletzt wieder sprunghaft gestiegen ist. Zudem sollen Wohnbaufördermittel und stadteigene Grundstücke nur mehr an gemeinnützige Bauvereinigungen vergeben werden. Lukas Tockner Wien, Juni 2022
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