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ARBEIT UND WIRTSCHAFT
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dem Stiefel des Siegers getreten werden, verfehlt seine Auf¬ Arbeits- und Lehrstellenvermittlung im Sinne der Ein¬
gaben materiell und moralisch. Der Kongreß erwartet, daß führung von öffentlich-rechtlichen, obligatorischen, paritä¬
die neuerstandene, neugefestigte gewerkschaftliche und tischen Vermittlungen;
politische Internationale ihre ganze Kraft für den Frieden
den Bedürfnissen entsprechende Novellierung des Ar¬
und die Freiheit Europas einsetzt.
beitslosenversicherungsgesetzes, insbesondere der Be¬
stimmungen über die produktive Arbeitslosenfürsorge,
2. Resolution über die Sozialpolitik.
Sicherstellung einer dem Geiste dieses Gesetzes und seiner
Der Gewerkschaftskongreß erblickt in der Erhaltung, dem Ausführungsbestimmungen entsprechenden Handhabung, BeAusbau und der entsprechenden Handhabung der sozial¬ dachtnahme auf das Wohnungsproblem und auf das öffent¬
politischen Gesetzgebung das wichtigste Unterpfand für den liche Lieferungswesen im Zusammenhang mit der produk¬
Aufstieg der Arbeiter und Angestellten aus dem noch tiven Arbeitslosenfiirsorge, Verlängerung der Verordnung
immer herrschenden Zustand der wirtschaftlichen Ab¬ über die Erhaltung des gewerblichen Arbeiterstandes für
hängigkeit zu höheren und besseren Formen des wirt¬ die Dauer der Industriekrise;
schaftlichen und gesellschaftlichen Gemeinschaftslebens. Er
schleunige Ratifizierung der Beschlüsse der Internatio¬
ist von der Erkenntnis durchdrungen, daß nur eine körper¬ nalen Arbeitskonferenzen von Washington und Genf, Kodi¬
lich, geistig und sittlich gehobene Arbeiterschaft über die fizierung und Vereinheitlichung der gesamten für die
Kräfte verfügt, um diesen Aufgaben gerecht zu werden. österreichisc'hen Arbeiter und Angestellten geltenden
Er steht hiebei, den Traditionen der Arbeiterbewegung Rechtsmaterie;
getreu, auf dem prinzipiellen Standpunkt, daß neben der
Hintanhaltung übereilter Auswanderung, Einführung
gewerkschaftlichen Organisation nach wie vor ein
Informations- und Schutzmaßregeln für
Erstarken der sozialen und politischen Macht der Arbeiter¬ zweckmäßiger
Auswanderer, die infolge der Dauerkrise zum Verlassen
klasse eintreten muß.
Im Sinne dieser Grundsätze erklärt der Zweite deutsch¬ des Landes genötigt sind;
Ausbau der sozialpolitischen Rechte der öffentlichen An¬
österreichische Gewerkschaftskongreß gegenüber der ge¬
samten Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber der Regie¬ gestellten, insbesondere Schaffung des Gesetzes über die
rung dieses Staates, daß er in keiner Weise gesonnen ist, Personalvertretungen für die Bundesbediensteten.
die von den Arbeitern und Angestellten bis jetzt und zwar
Der Zweite österreichische Gewerkschaftskongreß weist
vor allem in der Zeit seit dem Umsturz erworbenen Rechte den Versuch der Regierung, durch die Gesetzesvorlage
und Machtbefugnisse auf dem Gebiet der sozialpolitischen über die Reorganisation der Bundesbahnen den Eisen¬
Gesetzgebung auch nur im mindesten antasten zu lassen. bahnern ihr schwer erkämpffts Dienstrecht zu rauben und
Die in letzter Zeit sich häufenden Versuche der österrei¬ an dessen Stelle die veralteten Bestimmungen des Bürger¬
chischen Regierung, der Unternehmer, der bürgerlichen lichen Gesetzbuches zu setzen, entschieden zurück.
Parteien im Nationalrat und insbesondere auch der bürger¬
Der Zweite österreichische Gewerkschaftskongreß er¬
lichen Presse, diese Rechte der Arbeiterschaft angeblich wartet, daß seine den dringenden Bedürfnissen der öster¬
mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Krise dieses Landes reichischen Arbeiter und Angestellten entspringenden For¬
zu schmälern oder abzubauen, werden dem entschiedenen derungen in kurzer Zeit der erwünschten Verwirklichung
und unbeugsamen Widerstand der gewerkschaftlich organi¬ zugeführt werden.
sierten Arbeiter und Angestellten dieses Landes begegnen,
die mit ihren Familien mehr als ein Viertel der Gesamt¬ 3. Resolution über die Gemeinwirtschaft.
bevölkerung dieses Staates repräsentieren. Es ist ein
Der Gewerkschaftskongreß erblickt in der Gemeinwirt¬
grobes, wahrscheinlich gewolltes Mißverständnis der öster¬
reichischen Unternehmerschaft, wenn sie sich von der Ein¬ schaft eine durchaus geeignete und praktisch wirtschaft¬
schränkung der sozialpolitischen Rechte der Arbeiterschaft liche Übergangsform zur Vorbereitung* und Durchbildung
eine Steigerung der Produktion und eine Erhöhung der der Methoden sozialistischer Wirtschaft und zur Überleitung
aus der privatkapitalistischen in die sozialistische Wirt¬
Konkurrenzfähigkeit erhofft.
Er begrüßt in ihr vor allem das Mittel für
Aber auch gegen die beabsichtigte Verschlechterung des schaftsordnung.
durch den Kapitalismus völlig brachgelegte Ausbildung
Angestelltengesetzes, gegen den geplanten Abbau des die
Fähigkeiten der Arbeiter, wirtschaftliche Betriebe zu
Mieterscliutzgesetzes, die verzögerte und eingeschränkte der
verwalten, und damit ihre Eignung, den gesellschaftlichen
Durchführung des Gewerbegerichtsgesetzes, gegen die Be¬ Gesamtapparat
der kommenden Wirtschaftsordnung zu
seitigung des Entgelts nac'l» § 1154b a. b. G.-B. und die leiten. In dieser Hinsicht
ist sie gleichzeitig als eine wichtige
Kinderzuschüsse geiyiäß dem Lebensmittelabbaugesetz Ergänzung und Vervollkommnung
der ähnlich gerichteten
sowie gegen die Wiedereinführung des Abendunterrichtes Absichten des Betriebsrätegesetzes zu
betrachten.
an den gewerblichen Fortbildungsschulen und die Sabotage
Der Kongreß erklärt es als dre Aufgabe der Gemeinwirt¬
des Lehrlingsentschädigungsgesetzes erhebt der Gewerk¬
schaft, die sozialdemokratische Genossenschafts- und
schaftskongreß entschieden seine Stimme.
wirksam zu ergänzen und ein einverständNicht im Abbau, sondern im gesunden und den Verhält- Kommunalpolitik
Vorgehen zwischen diesen drei Formen der wirt¬
nisssen angepaßten Aufbau der Schutzbestimmungen für lic'hes
Verwaltung herzustellen. Er fordert die Ar¬
Arbeiter und Angestellte muß die österreichische Gesetz¬ schaftlichen
und Angestellten ganz Österreichs auf, den gemein¬
gebung, wenn sie ihre Aufgabe, ebenso auch die Bedürfnisse beiter
Gedanken allenthalben aufs sorgfältigste
der Volkswirtschaft, richtig erfaßt, ihr Ziel erblicken. Der wirtschaftlichen
pflegen und die Gründung neuer gemeinwirtschaftlicher
Gewerkschaftskongreß erhebt daher folgende Forderungen: zu
Anstalten nach Tunlichkeit und Kräften zu fördern.
- Schleunige Gesetzwerdung der der österreichischen Ar¬
Die Arbeiter in den gemeinwirtschaftlichen Betrieben
beiterschaft seit Jahrzehnten zugesagten Alters- und Infordert der Kongreß auf, -in ihren erfolgreichen Bestrebun¬
väliditätsversicherung;
Einführung der von der Regierung und den bürgerlichen gen auf Ausgestaltung der Arbeitsdisziplin und der geistigen
Anteilnahme der Arbeiter am Gemeinwirtschaftsgedanken
Parteien feierlich zugesicherten Kinderversicherung;
zu erlahmen und damit den großen Aufgaben der Ge¬
rasche Novellierung der übrigen Sozialversicherungs¬ nicht
im Rahmen ihres eigenen Betriebes tat¬
gesetze, insbesondere der Unfallversicherung, bei der meinwirtschaft
besonders auf die Ausdehnung derselben auf die noch nicht kräftige Förderung angedeihen zu lassen.
erfaßten Berufsgruppen Wert zu legen ist, Pensions¬
4. Resolution zur Bildungsfrage.
versicherung, Einführung der Einheitskassen im Sinne der
Der
Gewerkschaftskongreß
macht es den freien Gewerk¬
seit Jahren aufgestellten Forderungen der Arbeiter und An¬
schaften zur Pflicht, der gewerkschaftlichen Erziehung und
gestellten;
Ausdehnung aller auf die Verhältnisse der Land- und wirtschaftlichen Schulung der neugewonnenen Mitglieder
Forstwirtschaft anwendbaren Schutzgesetze auf die öster¬ erhöhtes Augenmerk zuzuwenden. Im besonderen wird
reichischen Land- und Forstarbeiter, vor allem Gleich¬ empfohlen, alle verfügbaren Mittel und Kräfte aufzuwenden,
stellung mit den Industriearbeitern in bezug auf die um die Betriebsräte mit den zur Wirtschaftskontrolle und
Kranken-, Alters-, Invaliden- und Kinderversicherung und Wirtschaftsführung notwendigen Kenntnissen auszustatten.
Der regelmäßige Bezug und das eifrige Studium der Zeit¬
Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung;
Einführung eines umfassenden Arbeitsvermittlungs¬ schrift „Arbeit und Wirtschaft" erscheint dem Kongreß
gesetzes, insbesondere zur Regelung der Organisation der unter anderem als ein Mittel zu diesem Zweck.
Eigentümer, Verleger und Herausgeber: Anton Hueber, Sekretär. — Verantwortlicher Redakteur: Eduard Straas, beide Wien I, Ebendorfcrstraße 7
Druck : Vorwärts" Wien V, Rechte Wienzeile 97.