früher Frauen hauptsächlich beschäftigt waren: in der
Landwirtschaft und in gewerblichen Kleinbetrieben
(„mithelfende Familienmitglieder") ist ein deutlicher
Rückgang zu bemerken. Die dort beschäftigten Frauen
wandern in die Bereiche der tertiären und quartären
Berufe hinein. Da dort sehr häufig eine schulische Aus¬
bildung verlangt wird, ist es zweckmäßig, hier als
9. Punkt unserer Aufzählung etwas über Art und
Dauer der Berufsausbildung von heute zu sagen. Es läßt
sich nicht leugnen, daß die Bedeutung der traditionellen
Art der Lehrausbildung im sogenannten Meisterbetrieb
abnimmt, dagegen die der Ausbildung in Fachschulen und
in Lehrwerkstätten der Großbetriebe immer mehr in den
Vordergrund rückt. Gleichzeitig mit dieser Veränderung
verlängert sich im allgemeinen auch die Dauer der Be¬
rufsausbildung. Man gibt sich einer Täuschung hin, wenn
man glaubt, daß eine gegenläufige Tendenz, nämlich eine
Verkürzung der Ausbildungszeit bei den sogenannten
Anlernberufen, eintrete. Man muß nämlich bedenken, daß
ja einer solchen tatsächlich oft kurzen Anlernzeit bei den
meisten Menschen eine verlängerte Schulzeit oder sogar
eine anderweitige berufliche Tätigkeit vorausgeht und
Anlernlinge eben erst in einem relativ fortgeschrittenen
Alter überhaupt Verwendung finden. Insoweit es sich bei
Anlernlingen um besser qualifizierte Hilfsarbeiter han¬
delt, hat sich bei diesen gegenüber früher überhaupt eine
— so kurz sie auch sein mag — vorher nicht vorhandene
Spezialausbildungszeit eingeschoben. Besonders deutlich
läßt sich an der zunehmenden Zahl der Maturanten und
Hochschulabsolventen ablesen, daß die Tendenz zur Ver¬
längerung der Berufsausbildung beziehungsweise der
Vorbereitung der Berufsausbildung durch eine längere
Schulzeit zunimmt.
Strukturveränderungen und Berufswünsche
Wie verhalten sich die Berufswünsche zu diesen
Phänomenen? Es handelt sich dabei darum, festzustellen,
inwieweit die Berufswünsche mit den berufssoziologischen
Veränderungen konvergieren oder divergieren.
Der Wunsch, in der Landwirtschaft eine Beschäftigung
zu finden, ist bekanntlich sehr selten zu hören. Er ist sogar
seltenef, als es die Nachfrage nach Berufswilligen er¬
fordern würde. Dies macht es notwendig, daß in der
Landwirtschaft die Erhöhung der Produktion nicht durch
Vermehrung der Arbeitskräfte erreicht wird, sondern
durch stärkeren Einsatz technischer Hilfsmittel. Der
Wunsch, bei einer Berufsausübung in der Landwirtschaft
mit technischen Geräten, Traktoren, Mähdreschern usw.
arbeiten zu können und dafür auch ausgebildet zu wer¬
den, ist daher durchaus adäquat den Tendenzen, die
berufssoziologisch in diesem Bereich der primären Berufe
festgestellt werden konnten.
Die Berufswünsche, die sich auf sekundäre Berufe
beziehen, sind sehr unterschiedlich. Hier gibt es Mangel¬
berufe, für die es schwerfällt, Interessenten zu finden,
und allseits begehrte Berufe, in denen nicht alle Be¬
werber untergebracht werden können. Es scheint so zu
sein, daß speziell diejenigen Berufe eine starke An¬
ziehungskraft ausüben, die eine vielseitige und dadurch
anregende Berufstätigkeit versprechen. Eine solche erhofft
man sich schon in der Lehrzeit und zieht daher Betriebe
vor, die eine solche umfassende Ausbildung garantieren.
Die Abwendung von der sogenannten Meisterlehre und
die Zuwendung zur Industrielehre in Lehrwerkstätten,
die einen fast schulischen Charakter haben, ist ein viel
beachteter Beweis für diese Tendenz. So wie Erwachsene
lieber in einem Großbetrieb arbeiten, der ihnen mehr
Sicherheit und höhere soziale Benefizien gewährt und
in ihnen das Gefühl der persönlichen Abhängigkeit redu¬
ziert, so streben auch schon Jugendliche in eine ähnliche
Berufssituation. Besonders in manchen Gegenden, wo die
Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Betrieben
nicht sehr groß sind, richten sich die Berufswünsche ein¬
fach allgemein darauf, in einen ganz bestimmten Gro߬
betrieb zu kommen und dort eine der zur Verfügung
stehenden Lehrausbildungen zu erhalten, wobei es als
belanglos angesehen wird, welcher konkrete Beruf das
ist. Es läßt sich nicht leugnen, daß auch im Bereich dieser
Berufsgruppen die geäußerten Berufswünsche durchaus
konform mit den allgemeinen berufssoziologischen Trans¬
formationen verlaufen.
Kaum anders dürfte es auf dem Gebiete der Ange¬
stellten- und Verwaltungsberufe sein. Durchaus der
starken Vermehrung der Berufsarbeit in diesem Sektor
entsprechend, steigt auch das Streben der Berufsuchen¬
den, in diese Berufe zu gelangen. Ein Anreiz dazu liegt
offenbar in der günstigeren sozialrechtlichen Position, die
derzeit die Angestellten noch gegenüber den Arbeitern
voraus haben. Die sogenannte Fixanstellung in beamteten
Verhältnissen erhöht die soziale Sicherheit noch mehr.
Nicht gering veranschlagt darf außerdem werden, daß die
Tätigkeit der in den tertiären Berufen beschäftigten Men¬
schen auch heute noch meist an angenehmer wirkenden
Arbeitsplätzen durchgeführt wird und daß vor allem die
Aufstiegschancen für Angestellte günstiger zu sein schei¬
nen als für die Arbeiter. So wie einst jeder napoleonische
Grenadier in seinem Tornister den Marschallstab mit sich
trug, so glauben heute viele Angestellte, in ihrer Akten¬
tasche sozusagen die Füllfeder des zukünftigen General¬
direktors mit sich zu tragen, was in der Managergesell¬
schaft mit ihrer starken Mobilität tatsächlich für einige
wenige zutreffen mag. Es ist also nicht unverständlich,
warum so viele Arbeiter auch heute noch danach stieben,
in die Gruppe der Angestellten aufsteigen oder wenigstens
in eine mit einer Dienstpragmatik versehene Berufsent¬
wicklung einschwenken zu können, und daß auch junge
Menschen in vielen Fällen lieber Angestellte als Arbeiter
werden. Sie alle bewegen sich durchaus in dem Trend, der
unsere Gesellschaft immer mehr zu einer Angestellten¬
gesellschaft werden läßt.
Ein schwieriges Kapitel bilden die Berufswünsche
derer, die in die quartären Berufe gelangen wollen. Diese
sind — der Sachlage entsprechend — vielfach keine Lehr¬
berufe; zu ihnen kann auch nicht angelernt werden im
primitiven Sinne dieses Wortes. Es dreht sich bei ihnen
meist um Beschäftigungen, die als zweite Berufe, nach
der Erlernung eines anderen ersten, ergriffen werden, ob¬
wohl sie mit diesem ersten nur wenig oder gar nichts zu
tun haben. Sie erfordern höchst verschiedenartige Quali¬
fikationen und unterscheiden sich voneinander denkbar
weitgehend. Ihre Existenz und auch der steigende Bedarf
an Menschen, den sie entwickeln, sind von den Beruf¬
suchenden bereits erkannt. Berufswünsche können aber
deshalb nur schwer, besonders von Jugendlichen, ge¬
äußert werden, weil man zu diesen Berufen meist erst in
einem vorgeschritteneren Lebensalter zugelassen wird.
Während in den drei ersten Berufsbereichen eine deut¬
liche Kongruenz zwischen beruflicher Entwicklungs¬
tendenz und geäußerten Berufswünschen herrscht, ist in
diesem quartären Bereich eine solche Übereinstimmung
nicht vorhanden. Dies trifft übrigens nicht nur auf die
neuen Gebiete dieses Quartärbereiches zu, sondern auch
auf die alten Dienstleistungsgewerbe, wie Friseure, aber
auch Kellner usw. Für diese Berufe können sich junge
Menschen wahrscheinlich deshalb nicht sehr begeistern,
weil sie von den modernen technischen Entwicklungen
ausgeschlossen sind, wenig günstige Arbeitsverhältnisse
aufweisen, hinsichtlich der Bezahlung ebenfalls nicht
besonders glücklich gelagert sind und überdies nur ein
geringes soziales Prestige genießen.
Als Fernziel dagegen mag manchen Menschen eine
Berufstätigkeit, zum Beispiel als Bühnenarbeiter in einem
Theater, als Rundfunksprecher, als Fremdenführer, als
Filmschauspieler usw. vor Augen schweben. Wie stark
Wünsche auf diesem Gebiet gelegentlich wirken, zeigt die
fast dämonische Anziehungskraft, die gerade das Film¬
geschäft ausübt und vornehmlich Mädchen dazu bringt,
auf dem Wege über eine Mannequinausbildung und dürf¬
tige Tanz- und Gesangstudien dorthin vorzudringen. Das
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