INTERNATIONALES
Finnland im Aufwind
Oer Untergang des Moskauer Imperiums wirkte sich für das
kleine Finnland höchst negativ aus. Auf Grund der engen
wirtschaftlichen Verbindung geriet die gesamte
Industrie ins Schleudern.
Zwischen 1991 und 1994
schrumpfte die wirtschaftli¬
che Produktion um 12 Pro¬
zent. Die Arbeitslosigkeit
kletterte von 3 Prozent auf
mehr als 16 Prozent.
Dabei erfreute sich das
Land der endlosen Wälder
und tausend Seen als »Japan
Europas« bis dahin eines gu¬
ten Rufes. Finnische Banken
und Unternehmen konnten
günstige Kredite im Ausland
erhalten. Das führte zur An¬
kurbelung der Konjunktur.
Doch gleichzeitig stiegen die
Immobilienpreise um mehr
als 30 Prozent. Lohnsteige¬
rungen waren selbstverständ¬
lich. 1990 kam dann der
plötzliche Einbruch. Banken
und Sparkassen endeten viel¬
fach mit Konkursen und ge¬
rieten vorübergehend unter
staatliche Aufsicht.
Parallel dazu brach der Ex¬
port nach Russland zusam¬
men. Hinzu kam ein Preisver¬
fall für Papier auf den westli¬
chen Märkten. Der Versuch,
die Finnmark mit Stützungs¬
käufen und hohen Zinsen zu
stabilisieren, erwies sich als
problematisch. Das Zinsni¬
veau schadete der Wirtschaft.
1992 folgte die Freigabe des
Wechselkurses. Die Finn¬
mark verlor zwei Drittel ihres
Wertes. Doch aufden Export¬
märkten wurden finnische
Produkte billiger, die Absätze
stiegen. Der damit einsetzen¬
de Aufschwung führte auch
zu einer Steigerung der Um¬
sätze auf dem Binnenmarkt.
Niedrige
Lohnerhöhungen
Im klassischen Sozialstaat
gelang es sogar, die Kosten im
Gesundheitswesen zu senken,
ohne Leistungen zu reduzie¬
ren. Bis 1993 bekamen Kom¬
munen und Regionen für die
Unterhaltung der öffentli¬
chen Gesundheitszentren und
Krankenhäuser nachträglich
alle Unkosten erstattet. Auf
Grund der neuen Regelung
erhalten sie lediglich einen
Fixbetrag, mit dem sie aus¬
kommen müssen. 1995 kam
es zu Vereinbarungen zwi¬
schen Arbeitgebern und Ge¬
werkschaften über niedrige
Lohnerhöhungen. Diese Re¬
gelung galt bis 1997. Der so¬
zialdemokratische Premiermi¬
nister Paavo Lipponen und
der konservative Finanzmi¬
nister Sauli Niinistö hatten
die Gespräche zwischen bei¬
den Partnern angeregt und für
eine Senkung der öffentlichen
Abgaben gesorgt, um für eine
Steigerung der Reallöhne zu
sorgen. Ein zweites derartiges
Abkommen dauert bis Ende
1999. Wenn auch gegenwär¬
tig Immobilienpreise und
Mieten wieder steigen, so ist
mit einer Überhitzung der
Preise nicht zu rechnen. Das
Bruttosozialprodukt stieg
1999 um 3,5 Prozent und
2000 dürfte die Steigerung
4,0 betragen. Die Inflations¬
rate wird im gleichen Zeit¬
raum von 1,0 Prozent auf 1,5
Prozent anwachsen. Die Zahl
der Arbeitslosen sinkt von
derzeit 10,5 bis 2000 auf 9,6
Martti Ahtisaari
3
Fertigung von Mobiitelefonen bei Nokia in Salo, Südfinnland
Prozent. 38 Prozent des Ex¬
ports umfassen Maschinen
und Transportmittel. Roh¬
stoffe, vor allem Holz, ma¬
chen nur noch 8 Prozent aus.
Inzwischen hat Finnland
auch auf dem diplomatischen
Parkett Renommee erworben,
nicht als »Kleinstaat«, wie Lip¬
ponen betonte, sondern »in
unserem eigenen Stil«. Staats¬
chef Martti Ahtisaari ging als
Friedensstifter in die Ge¬
schichte des Kosovo ein. Wie
selbstbewusst die Finnen sind,
zeigte sich daran, dass Lippo¬
nen eine allein von den
Großmächten gesteuerte
Außenpolitik der EU als »Illu¬
sion aus dem 19. Jahrhun¬
dert« bezeichnete.
Horst Hartmann
Weltbank:
Gewissen wecken
4,5 Milliarden verdienen täglich nur je 26 Schilling
Rund 4,5 Milliarden Menschen müssen am Tag mit höchstens
2 US-Dollar (1,96 Euro/26,6 Schilling) auskommen.
Das sagte der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, und
unterstrich damit seine Forderung nach einer verstärkten
Entwicklungshilfe.
In einem Interview mit der
französischen Wirtschaftszei¬
tung »Les Echos« wies Wol¬
fensohn zugleich darauf hin,
dass 1998 nur 0,25 Prozent
des weltweiten Bruttoinlands¬
produktes für die Entwick¬
lungshilfe ausgegeben wur¬
den. Eigentlich seien 0,7 Pro¬
zent angestrebt gewesen. Die
Entwicklungshilfe habe damit
nur 33 Milliarden Dollar er¬
reicht - 50 bis 60 Milliarden
Dollar weniger als bisher an¬
gekündigt. »Und es gibt we¬
nig Anzeichen einer Ände¬
rung«, so Wolfensohn.
Zudem sei die Lage kom¬
plizierter geworden, da sich
durch den Kosovokonflikt die
Geldmittel verlagert hätten.
»Ich hoffe, dass das neue Jahr¬
tausend die Gewissen weckt,
aber die Worte sind eine Sa¬
che und das Geld eine ande¬
re.« Der Weltbankpräsident
zeigte sich beunruhigt, wie der
geplante Schuldenerlass für
die ärmsten Länder finanziert
werden soll. Ein solcher Erlass
ist beim Wirtschaftsgipfel in
Köln beschlossen worden.
Wenn 4,5 Milliarden Dollar
gestrichen würden, müsse die
Weltbank 2,5 Milliarden
Dollar an zusätzlichen Mit¬
teln finden, die sie vorerst
nicht hat. Der afrikanischen
und der interamerikanischen
Entwicklungsbank gehe es
nicht anders, sagte Wolfen¬
sohn.
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